Am Morgen danach war hohe Zeit der Schwarzmaler und
Unkenrufer. Euroland am Ende, Europäische Union vor der Spaltung –
nach den Wahlen in Frankreich und Griechenland triumphierten erst
einmal diejenigen, die ohnehin schon immer wussten, dass alles schief
geht. Euro-Kurs und Aktienpreise rauschten in die Tiefe. Doch schon
gegen Mittag setzte sich auch an den Börsen wieder die kühle Vernunft
durch. Glaubt tatsächlich jemand, der Ökonom François Hollande würde
nun den realen Sozialismus in der EU ausrufen? Erste, unmittelbar
eintretende Folge wäre, das der fällige Zinssatz für Frankreichs
Staatsschulden auf spanisches und portugiesisches Niveau klettert und
der Gestaltungsspielraum des neuen Herrn im Elysée noch stärker
schrumpft. Alles spricht dafür, dass Hollande nun vor allem im Süden
der EU erstmal die Truppen sammelt für den angestrebten Wachstumspakt
und man dann mit der Spar-Kommissarin Angela Merkel einen Kompromiss
aushandelt: Kommst Du uns bei der Wachstumsspritze entgegen, so
rücken wir von unserer Ablehnung des Fiskalpakts ab. Die
Bundeskanzlerin und sogar ihr Kassenwart Wolfgang Schäuble sind in
den vergangenen Wochen bereits erkennbar rhetorisch eingeschwenkt.
Gern reden sie von „wachstumsfreundlicher Finanzpolitik“, ergänzt am
liebsten noch durch das Prädikat „nachhaltig“. Sehr wahrscheinlich
wird sich die CDU-Kanzlerin mit dem Sozialisten Hollande ebenso
arrangieren wie es einst ihr Lehrmeister Helmut Kohl mit dessen
Lehrmeister François Mitterrand tat. Und die Griechen? Wer immer
regiert in Athen, wird rasch begreifen, dass er zum Teufel gejagt
wird, wenn Beamte und Rentner kein Geld mehr bekommen. Dafür braucht
die künftige Regierung bis Ende Juni wieder frische Milliarden von
den Euro-Partnern. Das fördert die Geschmeidigkeit. Die Hellenen
haben zwar die Nase voll vom Sparen, aber für die Rückkehr zur
Drachme gab es auch keine Mehrheit am Sonntag. Es kann noch ein, zwei
Jahre dauern, ehe die Rosskur zur Rettung des Staates Griechenland
und der Stabilität des Euro Genesungserfolge bewirkt. Solange kann
das Motto nur heißen „Ohren steif und durch“. Es wird weiter
Widerstände und Rückschläge geben, es wird mancher die Nerven
verlieren. Doch eine Alternative zum Abbau der staatlichen
Schuldenberge, die die Krise ausgelöst haben, gibt es nicht. Europa
wird seinen Rang in der Welt nur verteidigen, wenn es dieses Problem
bewältigt – aus eigener Kraft.
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Südwest Presse
Lothar Tolks
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