Die Menschen, die es im Sog der Finanz- und
Schuldenkrise aus Wut auf die Straße zieht, sind schon weiter als die
Politik. Denn die Protestbewegungen denken weitaus globaler,
internationaler als diejenigen, die den Schlamassel angeblich
bekämpfen wollen. Doch statt offen und frei von nationalen Eitel- und
Empfindlichkeiten über Wege aus der Krise zu diskutieren, gefallen
sich die Vertreter der Länder darin, sich gegenseitig gute Ratschläge
zu geben und zum raschen Handeln aufzufordern. Insbesondere die USA,
mit ihrer Alles-Auf-Pump-Kultur und ihrem Unvermögen für deren Folgen
in der ersten großen Welle der Finanzkrise geradezustehen, sollten
sich mit ihren Anregungen zurückhalten. Zumal sie mit ihrem Nein zu
einer weltweiten Steuer auf Finanztransaktionen einen wichtigen
Regulierungsschritt blockieren. Aber zurück zu den Protesten, die nun
auch Deutschland ergriffen haben. Die Bürger machen ihrem Ärger,
ihrer Angst und ihrem Unverständnis Luft. Das ist verständlich. Denn
auch hierzulande haben Politiker und Bankmanager ihre Hausaufgaben
nicht rechtzeitig gemacht. Der Staat hat lange Zeit über seine
Verhältnisse gelebt, die Großbanken haben auf schwer durchschaubare
Finanzgeschäfte gesetzt und trotz Krise den Managern hohe Boni
bezahlt. Der Druck der Bürger mag dafür sorgen, dass Staat und
Großbanken rascher und nachhaltiger aus ihren Fehlern lernen.
Allerdings hat jede Reform ihren Preis: Kredite werden teurer, Zinsen
auf Erspartes geringer, sozialstaatliche Ausgaben dürftiger. Das
Miteinander von Finanz- und Realwirtschaft wird wieder ehrlicher,
aber das Leben dadurch nicht komfortabler.
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Lothar Tolks
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