Südwest Presse: Kommentar zu SPD

Peer Steinbrück hat die Genossen gestern zum Schluss
seiner bemerkenswerten Rede auf den Schulterschluss eingeschworen:
„Wann wir schreiten Seit– an Seit–, dann werden wir es schaffen.“
Über mangelnden Rückhalt konnte er sich nicht beklagen. Nach den
teils selbstverschuldeten Wogen, die über den Norddeutschen nach
seiner Nominierung zusammengeschlagen sind, darf er hoffen, dass sich
das öffentliche Interesse nun auf die entscheidende Frage
konzentriert, ob er die fachliche und menschliche Qualifikation
mitbringt, das höchste Regierungsamt im Lande auszufüllen. Die
Annahme lukrativer Vortragseinladungen sagt darüber wenig –
Steinbrück hat sich schließlich nicht verbiegen lassen gegen Honorar.
Auch wenn die SPD und ihr kantiger Kandidat einen zumindest bis zur
Bundestagswahl geltenden einstweiligen Burgfrieden geschlossen haben,
weiß Steinbrück selbst am besten, dass der Pakt mit seiner Partei
zwar jetzt notwendig ist. Dass er aber am Ende nicht darüber
entscheidet, ob der frühere Bundesfinanzminister zum Regierungschef
aufsteigt oder ob er sich aus der aktiven Politik verabschiedet.
Darüber entscheidet, ob es gelingt, einen Pakt mit den Wählern zu
schließen. Um das zu erreichen, müssen Kandidat und Partei sich nun
im Dauerspagat üben. Er begann damit, dass Steinbrück die anwesenden
SPD-Granden Helmut Schmidt und Erhard Eppler, die bis heute für
entschieden unterschiedliche Politikentwürfe stehen, gleichermaßen zu
hofieren hatte. „Soziale Kompetenz allein reicht nicht. Der eigene
Tellerrand ist nicht der richtige Horizont.“ Es war Parteichef Sigmar
Gabriel, der den Spagat am klarsten ansprach. Wachsende Armut, nicht
existenzsichernde Löhne und Renten, mangelnde Chancengerechtigkeit in
der Bildung, Benachteiligung von Frauen im Beruf – der Befund, mit
dem allein viele Genossen am liebsten den Wahlkampf bestreiten
würden, ist bekannt und wenig neu. Doch trotz erwiesener sozialer
Schieflagen und kränkelndem Euro bliebe Steinbrück geschlagen auf der
Strecke, würde heute gewählt. Passiert nichts Grundstürzendes, wird
2013 niemand Kanzler, wenn er sich nur der sozialen Frage widmet und
gar die herkömmlichen Umverteilungskonzepte der Vor-Agendazeit
propagiert. Nicht nur in Krisenstaaten wie Frankreich oder Spanien,
denen Deutschland zurzeit als Land der Verheißung gilt, würde das
nicht verstanden. Auch nicht in weiten Teilen der Gesellschaft
hierzulande. In Zeiten globaler Konkurrenz muss die deutsche
Wirtschaft in der Lage bleiben, ihre in vielen Branchen eroberte
Spitzenposition zu verteidigen. Peer Steinbrück hat sich gestern für
seine Verhältnisse zwar gründlich dem Sozialen gewidmet. Doch er hat,
beim Wohnungsbau oder dem Umsetzen der Energiewende, auch angedeutet,
wie sich sozialer Fortschritt durch innovative, auf Wachstum setzende
Politik Seit– an Seit– mit fähigen Unternehmern erreichen ließe. Man
darf sicher sein, dass er im Wahlkampf die Gewichte noch in diese
Richtung verschieben wird. Die gestrige tiefe Verbeugung der
SPD-Linken vor Steinbrück mag auch damit zusammenhängen, dass sie mit
diesem Kandidaten zwar ein ordentliches Wahlergebnis erhoffen darf,
jedoch aus heutiger Sicht keinen Wahlsieg, der dem Vertreter des
anderen Parteiflügels ins Amt helfen würde. Solch taktisches
Verhalten würde den Wählern jedoch wohl spätestens bewusst, stünde es
tatsächlich Spitz– auf Knopf im Herbst nächsten Jahres. Zum Spagat
sind deshalb beide verpflichtet, Kandidat wie Partei. Denn bei einem
Scheitern Steinbrücks ist der SPD nur eines gewiss: Die nächste große
Richtungsdiskussion.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218