Südwest Presse: Kommentar zur FDP

Eigenverantwortung. Der Begriff, den die Liberalen bis
zum Zynismus strapaziert haben – endlich nehmen sie ihn ernst. Sollte
FDP-Chef Guido Westerwelle tatsächlich bereit sein, persönliche
Konsequenzen aus den verheerenden Resultaten der Landtagswahlen zu
ziehen, wäre das der letzte Dienst, den er seiner Partei erweisen
kann – will diese wenigstens einen Rest der Glaubwürdigkeit erhalten,
die sie über Jahrzehnte in bürgerlich-soliden Kreisen verankert
hatte. Dass Westerwelle den eigenen Hut nimmt und sich nicht mit
Bauernopfern in den Niederungen des Parteiapparats begnügt, ist ein
erster Schritt zur dringend notwendigen personellen und inhaltlichen
Erneuerung der FDP. Denn ihr programmatischer Verfall von einer
angesehenen Verteidigerin der Bürgerrechte zur Klientelpartei, deren
öffentliche Wahrnehmung zuletzt von kaum mehr als der Forderung nach
Steuersenkungen bestimmt war, ist schon weit fortgeschritten. Sollte
Westerwelle bei seinem Besuch in China eingesehen haben, dass er
nicht zum großen Vorsitzenden taugt – für die Partei wäre diese
Erkenntnis ihres Chefs nur ein Etappenerfolg. Denn die Zahl möglicher
Nachfolger ist so gering, dass sich kaum von Auswahl sprechen lässt.
Alles scheint auf Christian Lindner oder Philipp Rösler zuzulaufen.
Deren offenkundiges Zögern kann ihnen niemand verdenken: Selbst wenn
die FDP je wieder zu alter Stärke findet – der Marsch dorthin wird
lang.

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Lothar Tolks
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