Leitartikel zu Kommunen, Ausgabe vom 04.05.2011
Zusammenhalt und Zukunft – nur mit starken Städten“. Ein starker
Spruch, unter den die 36. Hauptversammlung des Deutschen Städtetags
gestellt worden ist, zu der heute in Stuttgart die Kanzlerin
höchstselbst erwartet wird. Die Frage ist: Sind unsere Städte stark
genug für die Zukunft? Zweifel sind erlaubt, wobei die Perspektiven
im Süden der Republik aus vielerlei Gründen – historischen,
strukturellen, ökonomischen, demografischen, mentalen – günstiger
sind als nördlich des Mains. Wie im richtigen Leben werden die
Reichen und Schönen wie etwa Frankfurt, München, Stuttgart oder auch
Freiburg und Ulm immer reicher und schöner, während die Armen und
Hässlichen durch Abwanderung an Auszehrung leiden. Der Städtetag, der
in der Frankfurterin Petra Roth (CDU) eine wortmächtige Präsidentin
hatte, deren Nachfolger, der Münchner OB Christian Ude (SPD), ihr in
nichts nachsteht, mag ein Sprachrohr sein. Einen Zusammenhalt der
Städte garantiert der kommunale Spitzenverband nicht. Solidarität von
den Prinzessinnen unter den Städten dürfen die Aschenputtel nicht
erwarten. Tobt doch ein harter Standortwettbewerb um Arbeitskräfte
und jene Infrastrukturen, von denen Baden-Württemberg und seine
Landeshauptstadt gerade auf dem besten Weg sind, eine zu verschenken:
das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm. Eine Antwort der Berliner Politik wie
die Kluft zwischen Kommunen, die Welten trennen, zu verringern wäre,
steht aus. Angela Merkels heutiger Auftritt ändert daran wohl nichts.
Dabei bedarf es der Wegweisung, unter welchen Bedingungen die Städte
die ihnen trotz aller regionalen Unterschiede zuwachsenden
Zukunftsaufgaben bewältigen sollen. Um sich den Herausforderungen
stellen zu können, benötigen sie größere politische und finanzielle
Autonomie von Bund und Ländern und deren Tröpfen und Töpfen. Weil die
Städte bislang abhängig sind vom guten Willen der hohen Politik und
am Gängelband gehalten werden, hat sich schleichend eine
Nehmermentalität ausgebreitet, die um so mehr frustriert, je weniger
zu verteilen ist. Vielerorts ist der Stolz der Städte gebrochen.
Politisch setzt Grün-Rot in Baden-Württemberg ein Zeichen für größere
kommunale Entscheidungsbefugnisse, indem die künftige Landesregierung
die Frage der Schulsysteme den Kommunen überlässt. Finanziell liegt
zur Ausweitung der Gewerbesteuer auf alle Selbstständigen keine
vernünftige Alternative auf dem Tisch. Wer die Gewerbesteuer
antastet, verkennt, dass sie den Anreiz bildet, damit Städte für die
Standortattraktivität auch Lasten wie Gewerbeansiedlungen in Kauf
nehmen. Die Städte können nur als stabile Helfer der Ökonomie
agieren, wenn die Wirtschaft sich an diesen Standortkosten beteiligt.
Generell stehen die Städte vor einem Umbruch. War das vergangene
Jahrhundert jenes ihrer Auszehrung durch das steuerbegünstigte Haus
im Grünen, so ist jetzt die Ära der Rückkehr in die Städte
angebrochen. Die Gründe für diese Renaissance spiegeln die großen
gesellschaftlichen Debatten wider: Die Demografie beschreibt eine auf
dem Kopf stehende Alterspyramide, die besagt, dass die Stadt für
immer mehr Menschen der richtige Wohnort ist, weil hier die Wege zu
Medizin und Pflege kurz sind; das Ende der industriellen Arbeitswelt
bringt neue Arbeit, die sich in oder nahe der Wohnung erledigen
lässt; der teure Sprit verstärkt den Trend, die Trennung von Wohnen
und Arbeiten aufzuheben; städtische Räume werden dem Auto entrissen,
urbanisiert, wieder bewohnbar gemacht. All das macht die Stadt
interessanter als das Land und das Umland. Schon taucht am Horizont
das Schreckgespenst blutleerer ehemaliger Speckgürtel auf. Doch das
ist nicht Thema des Städtetags in Stuttgart.
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Lothar Tolks
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