Regierung verschleppt überfällige Kennzeichnung von
Einweg- und Mehrweggetränkeverpackungen – Klimaschädliche
Plastikflaschen erobern den Markt – Mehrwegorientierte
Getränkewirtschaft fürchtet um 170.000 Arbeitsplätze im Mittelstand –
Zur Unterstützung umweltfreundlicher Mehrwegverpackungen fordert
„Allianz für Mehrweg“ eine Lenkungsabgabe von 20 Cent auf
Einwegverpackungen zusätzlich zur Pfandpflicht
Angesichts des dramatischen Absturzes der Mehrwegquote bei
alkoholfreien Getränken haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die
Stiftung Initiative Mehrweg (SIM), der Bundesverband des Deutschen
Getränkefachgroßhandels, der Verband Privater Brauereien Deutschlands
und der Verband des Deutschen Getränkeeinzelhandels der
Bundesregierung Untätigkeit vorgeworfen. Insbesondere müsse die
Regierung gegen „Dumpingpreise und Verbrauchertäuschung“ bei den
großen Discounter-Ketten vorgehen und die im Herbst 2009 im
Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP verabredete
verbraucherfreundliche und eindeutige Kennzeichnung von Mehrweg- und
Einweggetränkeverpackungen endlich umzusetzen.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch warf der Bundesregierung
vor, die dringend notwendige eindeutige Kennzeichnung von Einweg und
Mehrweg, aufgrund der Intervention von Einwegindustrie und
Großunternehmen des Handels entgegen der Zusagen nicht umzusetzen.
Darüber hinaus wird nicht einmal die geltende Verpackungsverordnung
eingehalten. Danach wäre die Bundesregierung bereits Anfang 2010
verpflichtet gewesen, Bundestag und Bundesrat über die Bewertung der
derzeitigen Instrumente zum Mehrwegschutz zu informieren. Bislang
hüllen sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und mit ihm
die ganze Regierung jedoch in Schweigen. „Die Untätigkeit des
Umweltministers ist völlig unverständlich angesichts der Tatsache,
dass das Getränke-Mehrwegsystem, bisher einen wirksamen Beitrag zum
Ressourcen- und Umweltschutz und zur Klimaentlastung geleistet hat“,
sagte Resch. Mehrweggetränkeverpackungen sparten im Vergleich zu Ex-
und Hopp-Plastikflaschen erhebliche CO2-Mengen ein, darüber hinaus
seien sie ein wirksames Instrument zur Müllvermeidung.
„Mehrwegsysteme haben sich zu einem Vorreiter der Kreislaufwirtschaft
entwickelt und sind ein Vorbild auch für andere Sektoren der
Lebensmittelindustrie“, sagte Resch.
Resch forderte Umweltminister Röttgen auf, bei der noch in diesem
Jahr bevorstehenden ökologischen Neubewertung von
Getränkeverpackungen alle relevanten Stakeholder unter Leitung des
Umweltbundesamtes einzubeziehen. Das Bundesumweltministerium plant
für dieses Jahr eine Aktualisierung der Ökobilanzen für
Getränkeverpackungen. Resch begrüßte vor dem Hintergrund zumeist
industriegetriebener Ökobilanzen die geplante Aktualisierung als
einen wichtigen und längst überfälligen Schritt zur Versachlichung
und Transparenz der Diskussion über tatsächliche Umweltauswirkungen
verschiedener Getränkeverpackungen.
Die von der schwarz-gelben Bundesregierung im Koalitionsvertrag
2009 vereinbarte Einführung einer verbraucherfreundlichen
Kennzeichnung von Einweg- und Mehrwegflaschen wartet nach anderthalb
Jahren Bearbeitungszeit immer noch auf die Umsetzung. Ein vom
Bundesumweltministerium erarbeiteter Entwurf einer
Kennzeichnungsverordnung wird von Seiten der Europäischen Kommission
und des Bundeswirtschaftsministeriums von Rainer Brüderle blockiert.
„Die Bundesregierung hat bislang keinen ernsthaften Versuch
unternommen, die leicht zu entkräftenden Einwände aus Brüssel
zurückzuweisen. Stattdessen sitzt sie das Problem weiter sinkender
Mehrwegquoten einfach aus. Gerade der zuständige Umweltminister
Norbert Röttgen muss jetzt beweisen, dass er Umweltpolitik auch in
dieser Frage ernst nimmt und die Blockadehaltung seines Amtskollegen
Rainer Brüderle durchbrechen. Weiteres Zögern würde die
mittelständisch geprägte deutsche Getränkewirtschaft ernsthaft
gefährden“, kritisierte Roland Demleitner, Geschäftsführer des
Verbandes Private Brauereien Deutschland.
Statt vorhandene politische Spielräume für eine sinnvoll
gestaltete Kennzeichnungsverordnung auszunutzen, diskutierten
Vertreter von Umwelt- und Wirtschaftsministerium untaugliche
Kompromisslösungen, wie beispielsweise die Kennzeichnung der
Verkaufsregale mit Einwegflaschen. „Der Verbraucher hat ein Recht auf
eine klare Kennzeichnung der Getränkeverpackung nach Einweg und
Mehrweg. Stattdessen führt die derzeitige Kennzeichnungspraxis
weiterhin zu Verwirrung. Immer noch glaubt die Hälfte der
Verbraucher, bepfandete Verpackungen seien automatisch
umweltfreundliche Mehrwegverpackungen“, erklärte Clemens Stroetmann,
Staatssekretär a. D. und Geschäftsführer der Stiftung Initiative
Mehrweg. Stroetmann forderte die Bundesregierung auf, zu ihrem
eigenen Koalitionsvertrag zu stehen und die Kennzeichnungsverordnung
endlich umzusetzen.
Der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes des Deutschen
Getränkefachgroßhandels e.V. Günther Guder bezeichnete eine klare
Kennzeichnung von Einweg- und Mehrwegverpackungen als notwendigen,
aber nicht hinreichenden Schritt auf dem Weg zu einem wirksamen
Schutz des ökologisch vorteilhaften Mehrwegsystems. Die Erfahrung
zeige, dass die Einweglobby sich von Appellen und von Maßnahmen wie
der Pfandpflicht allein nicht beeindrucken lasse. „Es ist dringend
erforderlich, das Mehrwegsystem zusätzlich mit einer Lenkungsabgabe
auf Einweggetränkeverpackungen abzusichern. Eine ökologische
Lenkungsabgabe – zusätzlich zum Pfand – würde Einwegverpackungen
dauerhaft verteuern, so dass sich ihre schädlichen Umweltauswirkungen
auch im Preis niederschlagen würden“, sagte Guder. Aus den Einnahmen
der Lenkungsabgabe auf unökologische Einwegverpackungen sollten nach
Guders Vorschlag Maßnahmen zur Förderung klimafreundlicher
Mehrwegsysteme finanziert werden. „Ein rascher Beschluss von
Maßnahmen zum Mehrwegschutz wäre ein klares Bekenntnis der
Bundesregierung zu 170.000 nicht exportierbaren Arbeitsplätzen in der
mittelständischen Mehrwegbranche“. Guder forderte auch die
Spitzenkandidaten aller Parteien auf, die sich im Jahr 2011 in sieben
Bundesländern zur Wahl stellen, sich für den Erhalt regionaler
Wirtschaftskreisläufe mit Mehrweggetränkeverpackungen einzusetzen.
Das von der Bundesregierung mit der Evaluierung der Pfandpflicht
beauftragte Augsburger bifa-Umweltinstitut hat empfohlen, die
Pfandpflicht zur Stärkung des Mehrwegsystems auf alle
Getränkesegmente auszuweiten. „Die Befreiung von Frucht-,
Gemüsesäften und Nektaren von der Pfandpflicht führt seit Jahren zur
Verwirrung von Verbrauchern. Sie können nicht nachvollziehen, warum
sie für eine unökologische Plastik-Einwegflasche mit Fruchtsaft kein
Pfand zahlen, aber die Cola-Einwegflasche bepfandet ist“, sagte Sepp
Gail, Vorsitzender des Verbandes des Deutschen
Getränke-Einzelhandels. Die Bundesregierung müsse die
Ausnahmeregelungen streichen und für eine konsequente und
transparente Bepfandung aller Einwegverpackungen sorgen.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, E-Mail:
resch@duh.de
Clemens Stroetmann, Geschäftsführer Stiftung Initiative Mehrweg,
Eichenweg 11, 14557 Wilhelmshorst, Tel.: 033205 24037, Fax: 033205
24038, E-Mail: info@stiftung-mehrweg.de
Günther Guder, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverband des
Deutschen Getränkefachgroßhandels e.V., Monschauer Straße 7, 40549
Düsseldorf, Tel. 0211 683938 Fax. 0211 683602, Mobil: 0172 2424 950,
E-Mail: guder@bv-gfgh.de
Roland Demleitner, Geschäftsführer des Verbandes Private Brauereien
Deutschland e.V., Rheinstr. 11, 65549 Limburg, Tel.: 06431 52048, Fax
06431 53612, mobil: 0171 5311444, E-Mail:
info@private-brauereien-deutschland.de
Sepp Gail, Vorsitzender des Verbandes des Deutschen
Getränke-Einzelhandels, König-Heinrich-Str. 22, 81925 München, Tel.:
089 99884474, mobil: 0172 8906670, E-Mail: getraenkeverband@aol.com
Ulrike Fokken, Sprecherin Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-86, 0151
55017009, fokken@duh.de