WAZ: Das Ende der Bescheidenheit
– Kommentar von Frank Meßing

Die Konjunktur sprießt und beflügelt die
Gewerkschaften bei ihren Tarifforderungen. Bei Chemie/Bergbau/Energie
liegt seit gestern eine Sieben-Prozent-Forderung auf dem Tisch. Bei
der Bahn geht es um fünf Prozent. Die Telekom bietet gerade einmal
2,17 Prozent an. „Eine Frechheit“, sagt Verdi. Und so packen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einmal mehr ihre Drohinstrumente aus und
rüsten verbal auf. Es gibt wieder Warnstreiks und Appelle an die
Gewerkschaften, doch bitteschön nicht das zarte Pflänzchen Aufschwung
zu gefährden. Bekannte Rituale. Und dennoch ist die Ausgangslage bei
diesem Mal eine andere: In den meisten Branchen war jahrelang
Bescheidenheit angesagt, um Arbeitsplätze zu sichern. Doch inzwischen
droht ein Fachkräftemangel, sinkt die Arbeitslosigkeit. Obwohl die
Lebenshaltungskosten steigen, schiebt der private Konsum die
Konjunktur an. Die Gewerkschaften haben sich in der Krise als
verantwortungsbewusste Tarifpartner erwiesen. Auch deshalb kam
Deutschland mit einem blauen Auge davon. Das sollten die Arbeitgeber
in guten Zeiten nicht vergessen.

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