WAZ: Das Problem der offenen Grenzen. Kommentar von Dietmar Seher

Atmen wir durch: Seit zwei Jahrzehnten ist Europa
offen. Es ist ein Haus. Keine Tür ist verschlossen. Keiner will
Mauern zurück. Niemand sehnt den Schlagbaum zurück. Das verleitet uns
gelegentlich, Probleme wegzudrücken, die durch den Wegfall von
Grenzkontrollen entstanden sind. Ehrliche profitieren von der
Durchlässigkeit. Aber auch Verbrecher. Die Kriminalitätsstatistik
belegt das seit etwa zwei Jahren mit den angestiegenen Fallzahlen für
Autodiebstähle und Wohnungseinbrüche. Jetzt zeigt die Zollbilanz für
2011, dass der Schmuggel falscher Zigaretten genau so nur mit Mühe
unterdrückt werden kann wie der Import harter Drogen. Dabei sollen,
das sieht das Schengen-Abkommen vor, statt der Grenzen die
Grenzregionen überwacht werden. Deutschlands Grenze erstreckt sich
über 3700 Kilometer. 60 mobile Zoll-Fahndungsgruppen passen darauf
auf. Eine für gut 60 Kilometer. Rechnerisch. In der Praxis ist das
Verhältnis vor allem im Westen schlechter. Ein löchriges Netz – und
umso löchriger, weil nicht alle EU-Länder die gleichen
Kontrollstandards haben. Manchmal selbst nicht die gleichen
moralischen: Die Korruption in Südosteuropa ist überhaupt nicht
erledigt. Die Politik hat die neue wertvolle Reisefreiheit zu
schützen. Gerade gegen Gegner, die sie missbrauchen.

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