WAZ: Das Revier – im Lärm geräuschlos – Kommentar von Michael Kohlstadt zur Gauck-Rede

Man hat dem Ruhrgebiet schon vieles angedichtet.
Dass das Revier richtungsweisend in Sachen Umweltschutz sei, gehörte
bislang nicht dazu. Lärm, Dreck, Abgase – die Begleitmusik eines
urbanen Ballungsraums, in dem die Industrie noch immer das Sagen hat,
erleben wir hier täglich.

Und um ehrlich zu sein: Nicht ein gesteigertes Umweltbewusstsein
war Treibstoff des Wandels, sondern die Zwänge des Strukturbruchs. Wo
ganze Stahlwerke verschwinden, wird die Luft von selber sauberer.
Insofern ist der blaue Himmel über dem Revier ein Nebeneffekt, wenn
auch ein schöner.

Gerade wegen ihrer einzigartigen industriellen Geschichte verfügt
diese Region freilich über ein ganz besonderes Umweltbewusstsein. Es
ist auch von der Erkenntnis geprägt, dass Bäume nicht in den Himmel
wachsen. Und es leidet unter der oft beobachteten Scheu in der
Selbstdarstellung.

Hat es sich schon herumgesprochen, dass Essen 2017
Umwelthauptstadt Europas wird? Der aus den Abwassergebühren von
Millionen Bürgern bezahlte 4,5 Milliarden Euro teure Emscher-Umbau
jedenfalls wird derart geräuschlos gestemmt, dass dem
Bundespräsidenten in Berlin davon nichts zu Ohren kommt.

Das ist sympathisch, sollte uns aber zu denken geben.

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