Die SPD im Revier war mal eine „Kümmerer“-Partei.
Bodenständige Männer und Frauen, im Ton kohlenstaubheiser bis
herzlich, kümmerten sich um kleine Leute. Man trank lieber Pils als
Wein, organisierte Nachbarschaftsfeste, sammelte Mitgliedsbeiträge
persönlich an der Haustür ein und kämpfte wie ein Löwe für jeden
Zebrastreifen. Gut, es gab auch schon zu Willy Brandts Zeiten eine
andere, feinere Seite der Sozialdemokratie. Elegante Genossen, die
Wein, Sonne und Kultur in der Toscana ebenso schätzten wie andere
Kohle, Stahl und Bier. Aber insgesamt hatte die Fraktion der Kümmerer
die absolute Mehrheit. Wie ist die SPD heute? Kleiner auf jeden Fall,
auch älter und, wie Sigmar Gabriel fürchtet, an ihrer Spitze
entrückt. Zumindest „die da oben“ in den Parlamenten scheinen eher
als Genussmenschen wahrgenommen zu werden denn als Genossen. „Zurück
zur Haustür, zum kleinen Mann“, ist die Devise. Viele Kümmerer sind
weg. Schlimmer noch: Im Osten hat die unmenschliche NPD mancherorts
diese Rolle übernommen. Gabriel hat recht: Die SPD hat sich von ihrer
Klientel entfernt. Er selbst übrigens auch. Nun muss er wieder an der
Haustür klingeln.
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