WAZ: Kinder, Eltern, Pragmatismus – Kommentar von Birgitta Stauber-Klein

Kita-Ausbau, Betreuungsgeld, Familie und Beruf, ja
auch: Frauenquote. Seit Jahren beherrschen diese Begriffe die Politik
und Medien. Wer ehrlich ist, kann es gar nicht mehr hören. Doch alles
hängt mit allem zusammen. Dass wir nicht loskommen von diesen Themen,
liegt daran, dass so gut wie jeder irgendwie betroffen ist, während
die Familienpolitik von Ideologien zerrieben wird, die zu absurden
politischen Entscheidungen führen. Bestes Beispiel: Das
Betreuungsgeld, mit dem Eltern belohnt werden, die ihr Kind nicht in
die öffentliche Kita stecken. Das heißt noch lange nicht, dass es das
von konservativen Kreisen gerühmte klassische
Alleinverdiener-Familienleben fördert. Die gehobene Mittelschicht
etwa kann damit und dem eingesparten Kita-Beitrag locker ein
Au-pair-Mädchen finanzieren oder mit anderen gut verdienenden Eltern
eine Privat-Kita gründen. Womöglich unterstützt das Betreuungsgeld
den privaten Kita-Ausbau für ehrgeizige Besserverdiener, die nicht
nur Kinder und Beruf, sondern auch die Karriere im Kopf haben – was
auch ein Beitrag zur Frauenförderung ist, weil die private Betreuung
den Rücken eher freihält als die öffentliche Kita. Der zweite Effekt:
Es fällt weniger auf, dass die Kommunen vor allem in den Städten viel
zu wenig Krippenplätze anbieten können, die über das Angebot einer
Verwahranstalt hinaus gehen. Schon heute tummeln sich 26 Kinder
zwischen zwei und sechs Jahren in einer Gruppe, schon heute erledigen
Praktikantinnen den Job von Erzieherinnen; und geht es nach den
kommunalen Spitzenverbänden, sollen die ohnehin zu schwachen
Qualitätskriterien für die Kleinkindbetreuung noch weiter aufgeweicht
werden, um den Rechtsanspruch zu retten. „Pragmatische Lösungen“
nennen das die Verantwortlichen. Sie sollten sich nicht wundern, wenn
Eltern sich künftig ganz pragmatisch verhalten, sich das
Betreuungsgeld schnappen und den Elternbeitrag sparen. Aber
vielleicht ist das auch gewollt: Dann wird Platz frei für all
diejenigen, die wirklich auf die Krippe angewiesen sind, was wiederum
die Lage entspannt. Wie gesagt, alles hängt irgendwie mit allem
zusammen.

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