Das Hauen und Stechen der vergangenen Tage, das
erbittert egoistische Ringen um Posten und Positionen, es ist nicht
vorbei bei den Freien Demokraten. Es gönnt sich nur eine Atempause.
Ohne die Personalie Homburger/Brüderle plus Anhang vorher abzuräumen,
das wussten am Ende alle Liberalen, wäre der neue Mann, der sich
widerwillig in die Schuhe des abgesägten Parteichefs Guido
Westerwelle schieben ließ, auf dem Rostocker Parteitag baden
gegangen.
Dass und wie der nette Herr Rösler die Personalwechsel
durchgesetzt hat, nötigt dennoch Respekt ab. Bei ihm von der weichen,
sympathisch-höflichen Art des Auftretens auf fehlende
Wetterfestigkeit in Schlüsselsituationen zu schließen, hat sich als
falsch erwiesen. Vorläufig. Am Rande bemerkt: Mit dem gestrigen Tag
ist die Ära Westerwelle in der FDP endgültig vorbei.
Rösler geht mit dem Schachzug, der ihm in einem neuen Ministerium
neue Profilierungschancen für sich selbst und die FDP bietet, ein
nicht klein zu redendes Risiko ein. Rainer Brüderle hat als
klassischer Marktmittelständler ein entschieden anderes, schlichteres
Verständnis von Liberalismus als die jungen Milden, die der FDP jetzt
ihren irgendwie ganzheitlichen-sozialen Stempel aufdrücken wollen;
auch um sie für Bündnisse jenseits der Union zu öffnen. Will Brüderle
das auch? Es ist noch nicht ausgemacht, ob die Reibung, die hier
programmiert ist, produktive Energie freisetzt. Oder doch nur Stunk.
Schon der Versuch, den Wählern glaubhaft zu machen, dass der
Steuersenkungswahn überwunden ist, wird ein gewaltiger Kraftakt. Da
können sich die Liberalen keine Hü-und-Hott-Politik von Partei und
Fraktion leisten. Das Nullsummenspiel würden sie nicht überleben.
Dagegen ist das jetzt noch wahrscheinlicher gewordene Ende einer
fragwürdigen Politikerinnen-Karriere für die FDP letztlich ein
Gewinn. Auf die Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin, der wegen
einer Plagiatsaffäre à la Guttenberg der Verlust ihres Doktorhütchens
droht, kann Philipp Rösler an der Parteispitze gut verzichten. Es gab
bei der FDP immer schon bessere Kandidatinnen. Ohne
Selbstdarstellungsneurose.
Fazit: Philipp Rösler hat Personal umgesetzt. Nicht mehr, nicht
weniger. Wie die FDP hinter den alten Gesichtern in neuen Funktionen
aussehen soll, bleibt weiter unscharf.
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