WAZ: Ruhrgebietsstädte wollen Schulden-Soli

Die Kämmerer der beiden größten Ruhrgebietsstätte
Essen und Bochum fordern einen Solidarbeitrag für finanziell
angeschlagene Kommunen in Deutschland. „Es gibt viele Städte, die
ähnliche Probleme haben wie die Städte im Ruhrgebiet. Darüber kann
man eine breite Solidarität erzielen. Wir brauchen einen Soli für
diese bedürftigen Kommunen“, sagte Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann
der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Montagausgabe).

Sein Essener Kollege Lars Martin Klieve sagte: Wir brauchen einen
Soli, der zur Schuldentilgung dient. Essen hat seit 1991 insgesamt
700 Millionen Euro in den Fonds Deutsche Einheit eingezahlt. Und das
komplett auf Pump. Man sollte auch künftig in diesen Fonds einzahlen.
Allerdings müsste man den Zweck des Fonds dahingehend ausweiten, dass
hieraus auch die durch die Finanzierung der deutschen Einheit
verursachten eigenen Schulden getilgt werden. Wer Hilfe über seine
eigene Leistungsfähigkeit hinaus geleistet hat, dem muss auch
geholfen werden.“  

Klieve, mahnte seine Stadt und das Ruhrgebiet zur Sparsamkeit.
„Wir müssen jetzt, in einer Zeit niedriger Zinsen, anfangen,
konsequent Schulden zu tilgen“, erklärte Klieve im Interview. Er hält
zum Beispiel in Essen jede dritte Grundschule mittelfristig für
verzichtbar: Wir müssen nicht sämtliche Schulen erhalten, weil es
weniger Schüler geben wird. Die Schulen, die wir erhalten, könnten
wir dann aber besser ausstatten. Besser eine exzellent ausgestattete
Schule etwas weiter weg als zwei nähere, die marode sind. Man könnte
in Essen ein Drittel der Grundschulen reduzieren: Von 90 auf 60
innerhalb von vier bis sechs Jahren. Diese 60 Schulen wären aber in
einem Topzustand.

Laut Klieve braucht auch nicht jeder Stadtbezirk ein eigenes
Bürgeramt. Verzichtbar sei auch so manche Präsenzbibliothek. Und:
„Das Ruhrgebiet könnte seine Verwaltungsaufgaben auch mit 70 Prozent
des aktuellen Personals erledigen.“

Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann warnte vor den Folgen steigender
Sozialkosten und der neuen Armutswanderung aus Südosteuropa:
Dortmunds größtes Problem sind die steigenden Sozialkosten, jedes
Jahr 35 bis 40 Millionen Euro mehr. Die Jugendhilfe kostet immer
mehr, der Landschaftsverband bekommt immer mehr. Außerdem belastet
uns die Armutswanderung aus Südosteuropa stark, im nächsten Jahr mit
vermutlich 15 Millionen Euro. Bund und Land müssen uns daher
unterstützen. Wir Kommunen waren nicht an der Integration Europas
beteiligt, aber wir müssen jetzt die Lasten tragen. Diese Belastung
lässt sich nicht wegsparen. Für die Zeit ab 2014, wenn auch für
Bürger aus Bulgarien und Rumänien die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit
innerhalb der EU gilt, rechnet Stüdemann mit einer kontinuierlichen
Zunahme der Armutswanderung. „Es werden auch Senioren zuwandern und
kranke Menschen. Wir müssen also eine Verteilungsdiskussion führen
über die steigenden sozialen Ausgaben in Deutschland“, so Stüdemann.

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