WAZ: Ungehemmte Selbstversorgung. Kommentar von Miguel Sanches

Wenn die Opposition Bonsai-Format hat, sinken die
Hemmungen. Union und SPD haben sich darauf geeinigt, die Zahl der
Vize-Präsidenten im Bundestag zu erhöhen. Keiner wird ihnen im
Parlament auf die Finger hauen. Noch haben sie sich nicht auf eine
Regierung geeinigt, aber nach der Selbstversorgung zu beurteilen,
wird die Große Koalition harmonieren. Es sind verlockende Ämter,
repräsentativ wichtig, finanziell reizvoll, wie geschaffen für
verdiente Abgeordnete. Ulla Schmidt und Peter Hintze entsprechen dem
Klischee, zwei im Abendrot ihrer Karrieren. Die Ausgaben nehmen sich
klein an im Staatshaushalt. Bisher waren es fünf Stellvertreter – für
jede Partei einer. Fortan sollen es sechs für noch vier Fraktionen
sein. Für die Ämtervermehrung fehlt eine hinreichende Begründung. Die
Argumentationsnot ist so groß, dass die Rechtfertigungen wechseln.
Mal wird mit der steigenden Arbeitsbelastung, mal mit der
Machtbalance argumentiert. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier
meint, dann sei man mit der Union „einigermaßen auf Augenhöhe“. Beide
Argumente sind zu schwach. Die Kosten sind das kleinere Problem. Es
ist das Muster, das stört. Große Koalitionen sind so: Hemmungslos,
außer Kontrolle.

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