Weser-Kurier: Zu Krebsfällen im Umfeld radioaktiver Anlagen schreibt der Bremer WESER-KURIER:

In der Elbmarsch südöstlich von Hamburg gibt es die
weltweit höchste Häufung von Leukämiefällen bei Kindern und
Jugendlichen. Umweltschützer vermuten seit Langem, dass radioaktive
Strahlung aus dem seit 2009 abgeschalteten Atomkraftwerk Krümmel oder
dem benachbarten Kernforschungszentrum GKSS den Blutkrebs ausgelöst
hat. Beweisen können sie das nicht. Ob Radioaktivität, chemisches
Gift, Tabakrauch oder erbliche Disposition Krebs verursacht, ist im
konkreten Fall kaum feststellbar. Offiziell ist die Ursache für die
Krebserkrankungen an der Elbe unbekannt. Dasselbe gilt für die vom
Bundesamt für Strahlenschutz bestätigte Häufung von Kinderkrebs in
der Umgebung der Atomreaktoren. Und es gilt auch für die auffällig
vielen Krebsfälle in der Samtgemeinde Asse: Der Verdacht, dass
radioaktive Strahlung Grund für die Krankheiten ist, liegt auf der
Hand. Aber er lässt sich eben nicht beweisen. Radioaktivität ist
unsichtbar, sie riecht und schmeckt nicht – und sie hinterlässt im
Körper der Krebskranken keine eigene „Handschrift“. Betreiber und
Behörden verweisen gern auf die geltenden Grenzwerte für
Radioaktivität: Werden diese eingehalten, ist alles unter Kontrolle.
Aber sind geringe Strahlendosen wirklich harmlos? Der 1994
verstorbene Bremer Physikprofessor und Atomkraftgegner Jens Scheer
war einer der ersten, die vor den gesundheitlichen Gefahren der
sogenannten Niedrigstrahlung gewarnt haben. Jedes Becquerel, also
jeder einzelne radioaktive Zerfall, könne Körperzellen schädigen und
Krebs auslösen. Die Grenzwerte, so Scheers Credo, würden nicht
medizinisch, sondern ökonomisch definiert. Ihre Festsetzung diene
weniger dem Schutz der Bevölkerung vor Strahlen als dem Schutz der
AKW-Betreiber vor teuren Nachrüstungen und aufwendigen
Sicherheitsvorkehrungen. Auch Organisationen wie die Ärzte für die
Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) oder foodwatch teilen inzwischen
die Meinung, dass es keine „sicheren“ Grenzwerte für die
Radioaktivität gibt. Jede noch so geringe radioaktive Strahlung, so
ihre Auffassung, bedeute ein gesundheitliches Risiko, jede
Grenzwertfestsetzung sei eine Entscheidung über die tolerierte Zahl
von Todesfällen. Eine neue Debatte über den Strahlenschutz ist
überfällig. Die Grenzwerte müssen runter. Die Forderung nach einer
Umkehr der Beweispflicht, wie sie die Linke erhebt, ist aber
unsinnig. Der Nachweis, dass Krebsfälle nicht auf den Betrieb von
Atomanlagen zurückzuführen sind, ist unmöglich. In der Elbmarsch und
in der Asse-Region.

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