Vordergründig verspricht das Karlsruher Urteil
über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren mehr Sicherheit für die
Bürger. Gesetzt den Fall, es kommt wirklich zu einem terroristischen
Angriff in Deutschland. Man hätte die militärischen Mittel, diesen
abzuwehren, nutzt sie allerdings nicht – dann wäre das den Menschen
nur sehr schwer zu vermitteln. Vor allem wenn es dadurch Todesopfer
gäbe, die man durch den Einsatz von Soldaten vielleicht hätte
verhindern können.
Die obersten Richter haben die Erlaubnis zum Einsatz im Inneren
zwar als „letztes Mittel“ an strenge Auflagen geknüpft. Doch bleibt
auch damit ein unguter Beigeschmack: Karlsruhe könnte mit seinem
Grundsatzurteil das Tor zu einer weiteren Aufweichung des
Grundgesetzes geöffnet haben – mit unabsehbaren Folgen.
Denn, dass die beiden Senate des obersten deutschen Gerichts
zusammen entschieden haben – ein Sonderfall und erst zum fünften Mal
in ihrer Geschichte – zeigt, welche immense Bedeutung die
Entscheidung hat und wie umstritten das Thema ist. Wenn es, so das
Urteil, um „Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“ geht, ist
eben nicht mehr ein Hochwasser an Rhein oder Elbe gemeint, sondern
Angriffe durch Terroristen. Doch genau diesen Fall nennt der
Richterspruch nicht beim Namen. Vieles hängt deshalb letztlich von
der Interpretation des Urteils durch die jeweils zuständige
Bundesregierung ab. Und meist wird die Interpretation von den
politischen Zielen beeinflusst. Das kann beim Bürger Unbehagen
hervorrufen.
Derzeit scheint völlig klar, dass eine protestierende Menge nicht
zu diesen Ausnahmen gehört. Doch wie schnell könnte die Politik in
Versuchung geraten, das Etikett zu ändern, wenn es zu Ausschreitungen
wie in London oder Amiens käme? Bislang war das Grundgesetz die
Brandmauer, an der solche Bestrebungen abprallten. Diese ist nun
eingerissen. Deshalb sind die Parteien und auch die Gesellschaft
jetzt gefordert, eine weitere Aufweichung zu verhindern.
Man muss darauf hoffen, dass die deutsche Politik die Bundeswehr
wirklich nur als „letztes Mittel“ sieht und alle Bemühungen in die
Terror-Prävention steckt, damit das Karlsruher Urteil auch Theorie
bleibt.
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