Die Kanzlerin traurig, die Union betroffen, und
selbst die Opposition quittiert den Rücktritt von
Bundesbildungsministerin Annette Schavan mit einem bedauernden
„schade, aber . . .“. Mit dem jüngsten Opfer der Plagiatsjäger tut
sich die Öffentlichkeit sehr schwer. Zu undurchsichtig das Verfahren,
zu lange her die Verfehlungen. Kein „Markieren und Einfügen“, wie
beispielsweise bei Karl-Theodor zu Guttenberg hat Schavans
Doktorarbeit in Misskredit gebracht, sondern womöglich nur unsauberes
Zitieren. Damit werden sich nun Gerichte beschäftigen müssen, weil
die Universität Düsseldorf keine restlos überzeugende Begründung für
den Entzug der Doktorwürde präsentieren konnte. Es dürfte Monate
dauern, bis Schavan weiß, ob sie wieder Doktorin ist oder weiter gar
keinen akademischen Abschluss hat.
In der Zwischenzeit fragen sich immer mehr Menschen, was
eigentlich los ist in der bundesdeutschen Politik. Kanzlerkandidaten
tapsen von einem Fettnäpfchen ins nächste, Mandatsträger müssen sich
reihenweise vorwerfen lassen, ihre Meriten mit Pfusch und Schummelei
verdient zu haben. Gleichzeitig verpulvert die öffentliche Hand in
Berlin, Hamburg und Stuttgart Milliarden über Milliarden mit schlecht
geplanten und noch schlechter kontrollierten Großprojekten. Und im
September wird ein neuer Bundestag gewählt.
Aus genau diesem Grund wird abgewiegelt, wegdiskutiert, ignoriert,
ausgesessen oder sehr schnell gehandelt. Angela Merkel müsste eine
gute Schauspielerin sein, wenn ihre Betroffenheit im Fall Schavan
gekünstelt gewesen wäre. Viel wahrscheinlicher ist, dass die
Kanzlerin wirklich bedauert, eine besonnene und loyale Mitstreiterin
für ihre Politik zu verlieren. Dass sie ihre Vertraute dennoch
fallenließ, ist ihrem Pragmatismus geschuldet. Sie kann sich eine
Dauerdiskussion über die Dissertation einer Ministerin im Wahljahr
einfach nicht leisten. Also muss Schavan gehen. So ist das in der
Politik.
Und an irgendwelchen Computern mit Internetzugang laden die
Plagiatsjäger schon nach für ihre Hatz um der Hatz und des Kopfgeldes
willen. Sehr sympathisch ist das nicht. Es trägt seit dem Fall
Schavan vielmehr dazu bei, dass sich ob des Bildes, das die Politik
und deren Beobachter abgeben, zunehmend Unbehagen breitmacht.
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