Westdeutsche Zeitung: Nach wirren 24 Stunden hat bereits der Wahlkampf begonnen – Bedingt in Champagnerlaune Ein Kommentar von Martin Vogler

Wir wissen nicht, ob Hannelore Kraft und Sylvia
Löhrmann gestern Champagner tranken. Grund dafür hätten sie. Denn die
beiden Damen und ihre Koalition sind die großen Gewinner der wirren
24 Stunden von Düsseldorf, die nach einer überraschenden Bewertung
eines Juristen am Dienstagnachmittag gestern zur Auflösung des
Landtags führten. Das heißt Neuwahl.

Auch wenn Rot-Grün bislang mit der Rolle einer
Minderheitsregierung erstaunlich souverän umging, dürfte sich ab Mai
die Situation klar verbessern. Zumindest aus heutiger Sicht kann sich
die Regierung dann auf eine echte Mehrheit stützen und muss nicht
mehr auf die fallweise Duldung durch CDU, FDP oder gar Linkspartei
hoffen. Doch auch wenn vor allem Kraft und Löhrmann profitieren: Es
ist glaubhaft, dass sie wie alle anderen von der aktuellen
Rechtsauslegung und damit dem vorzeitigen Ende der Legislaturperiode
überrascht wurden.

Richtig bitter ist diese schnelle Wendung für die FDP, die sich
ganz offensichtlich verkalkuliert hat, als sie sich auf eine
Ablehnung der Einzelhaushalte festlegte. Von dieser Position konnte
sie jetzt nicht mehr abweichen, ohne für immer das Umfaller-Image zu
bekommen. Für die Liberalen bedeutet das allerdings den politischen
Selbstmord.

In dem gestern bereits begonnenen Wahlkampf kann sich zwar noch
viel ändern, doch bei der FDP müsste es ein Wunder geben, wenn sich
ihre Parlamentarier und Fraktionsmitarbeiter keine neuen Jobs suchen
müssten. Knapp werden mit dem Wiedereinzug könnte es auch für die
Linken. Völlig unkalkulierbar sieht es bei den Piraten aus, die
sicherlich von ihrem Apparat her am schlechtesten für diesen
überraschenden Wahlkampf gerüstet sind. Und die CDU? Selbst als
stärkste Fraktion fehlte ihr ein Koalitionspartner zum Regieren.

Trotz aller Aufregung und heißer Wahlkampfwochen sei eine Prognose
gewagt: Für NRW ändert sich wenig, die Regierung kommt lediglich
stabiler aus der ganzen Geschichte heraus. Doch die Bundespolitik
wird kräftig erschüttert. Statt einer Landtagswahl gibt es 2012 jetzt
drei – eine davon im bevölkerungsreichsten Bundesland. Vor allem
Angela Merkel hat mit ihrer Koalition eine weitere Baustelle, die sie
im Gegensatz zu den Damen in Düsseldorf nicht in Champagnerlaune
versetzen dürfte.

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