Als den „ungepflegten Hinterhof der
Strafrechtspflege“ hat der Kriminologe Frank Neubacher einmal den
Strafvollzug bezeichnet. Was da abläuft, nachdem der Staatsanwalt
ermittelt und der Richter verurteilt hat, ist ein Teil der Justiz,
bei dem auch die Öffentlichkeit gern wegguckt. Der Strafvollzug als
Ländersache ist etwas, mit dem sich auch ein dafür zuständiger
Justizminister kaum profilieren kann. Im Gegenteil:
Gefängnisausbrüche, Gewalttaten im Knast oder Suizide haben
regelmäßig das Zeug, ihn politisch in Bedrängnis zu bringen. Dass
NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) nicht tatenlos auf solche
Vorkommnisse wartet, sondern Missstände angehen will, liegt aber
nicht nur in seinem Eigeninteresse. Es ist unser aller Wohlergehen
geschuldet. Gewiss, immer wenn es zu einer Straftat kommt, wünscht
man sich zu Recht, dass der Täter dafür büßt. Die Strafe soll wehtun.
Doch sollten wir auch im Blick haben, dass jeder Gefangene früher
oder später – sei es in fünf, zehn oder 15 Jahren – wieder
herauskommt. Und dann unser Nachbar sein kann. Da sollte es in
unserem Interesse liegen, dass er ein Nachbar ist, vor dem wir uns
nicht fürchten müssen. Das kann nur funktionieren, wenn das Gefängnis
eben nicht nur wehtut, sondern alles daran gesetzt wird, dass das
Gefängnis auch bei der Resozialisierung hilft. Dies kann es aber nur,
wenn Ressourcen personeller und damit auch finanzieller Art in den
Strafvollzug fließen. Und wenn man den Strafvollzugsbediensteten den
Rücken stärkt. Auch sie sind auf eine Art lebenslang eingesperrt und
machen doch einen Job, der es nicht verdient hat, dass sie als
Schließer bezeichnet werden. Wenn die Gefängnisse zu voll werden,
lässt sich dem durch Neu- oder Ausbau begegnen. Den Gerichten kann
man nicht verübeln, wenn sie Straftaten mit Haft ahnden. Da darf sich
auch die Politik nicht einmischen. Wohl aber ließe sich manch ein
Knastaufenthalt vermeiden – durch Gesetzesänderungen, die freilich
nicht in der Hand eines einzelnen Landes liegen. Man denke an wegen
Schwarzfahrens eingesperrte Missetäter. Oder an das Phänomen der
sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen. Da werden Menschen eingesperrt,
weil sie die verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können. Statt mit
ihnen eine tragbare Ratenzahlung zu vereinbaren, müssen sie ins
Gefängnis – in eine eigentlich für schwerere Kaliber reservierte
Zelle. Und kosten den Staat auf diese Weise viel mehr. Jeder Hafttag
schlägt mit etwa 130 Euro zu Buche. Das ist doch verrückt, oder?
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