Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat
menschlich und pragmatisch gehandelt, als sie die Flüchtlinge aus
Ungarn einreisen ließ. Die Zustände am Budapester Ostbahnhof und in
den Aufnahmelagern waren unhaltbar geworden. Vor allem die
hygienischen Verhältnisse spotteten jeder Beschreibung. Es musste
etwas passieren – und Merkel handelte.
Ob ihre Entscheidung politisch klug war, steht auf einem ganz
anderen Blatt. Sie war es eher nicht, denn sie lieferte dem
ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán einen hochwillkommenen
Vorwand, um Tausende Menschen elegant loszuwerden, die Budapest
weniger als Hilfebedürftige und mehr als unerwünschte Eindringlinge
und als Belastung ansieht. Zudem brachte Merkel die CSU-Spitze gegen
sich auf, die sich vor vollendete Tatsachen gestellt fühlte und am
Wochenende einen enormen Kraftakt zu meistern hatte. Allein am
Samstag strandeten 6800 Menschen in München. Zum Glück traf es das
wirtschaftsstärkste Bundesland – man stelle sich nur vor, das klamme
Bremen läge an der Grenze zu Österreich und müsste Tausende
Personen auf einen Schlag unterbringen.
Was in Ungarn passiert, ist aber nicht nur in Bayern spürbar,
sondern in ganz Deutschland, auch auf dem Gelände der
Landespolizeischule in Stukenbrock, wo gestern im Handumdrehen bis zu
500 Menschen untergebracht wurden. Die Einreise Tausender
Flüchtlinge in kürzester Zeit solle eine »Ausnahme« bleiben,
versprach Merkel. Aber wie will sie den baumstammdicken Egoismus der
EU-Staaten brechen, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen? Die
argumentieren dickfellig, Merkel schwäche ja selbst das
Dublin-Prinzip, wonach das EU-Land den Flüchtling registrieren muss,
in dem er ankommt. Außerdem skandierten die Menschen aus Syrien oder
dem Irak ja immer »Germany, Germany!« – warum sie dann nicht
konsequent nach Bayern weiterlassen?
Die unsolidarische Haltung von Ländern wie Ungarn oder Polen ist
skandalös. Polen etwa argumentiert damit, man müsse die vielen
Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen. ZDF-Korrespondent Armin
Coerper wies jetzt nach, dass fast keiner von denen Asyl bekommt und
dauerhaft bleiben kann. Angesichts von Sturheit und Heuchelei ergäbe
es durchaus Sinn, Erstaufnahmezentren rund ums Mittelmeer
einzurichten, wo die Flüchtlinge Asylanträge stellen können. So ließe
sich der Zustrom besser kontrollieren und fairer kanalisieren.
Außerdem würde damit den Schleuserbanden ein Schlag versetzt. Sie
machen mit der Not von Flüchtlingen ein gutes Geschäft, konnten
bislang aber trotz aller Drohungen der EU überhaupt nicht gestoppt
werden. Ins Netz gingen bislang nur die Kurierfahrer, die Flüchtlinge
innerhalb Europas transportierten, nicht aber die Drahtzieher.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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