Der mögliche Giftgasangriff in Syrien durch
Regierungstruppen, die vermutlich gezielte Zerstörung vieler
christlicher Kirchen in Ägypten und grausamste Verbrechen auf der
Sinaihalbinsel, die seit dem Sturz Husni Mubaraks auf somalische
Verhältnisse zusteuert: Täglich addieren sich neue Meldungen und
Schauplätze von Massentod und Terror zu einem Gesamtbild gefährlicher
Instabilität. Der Bürgerkrieg in Syrien ist das alarmierendste Fanal,
obwohl beim Blick auf die Details die Gewissheit über gute und böse
Akteure schwindet. Selbst ein Großangriff auf Rebellenhochburgen im
Umland der Hauptstadt Damaskus, wie gestern, ist von außen nur schwer
zu beurteilen. Just in dem Moment, in dem UN-Inspekteure drei andere
Orte – und nur diese – auf Gasspuren endlich untersuchen dürfen, wird
möglicherweise Sarin gegen Zivilisten eingesetzt. Die Regierung Assad
wies einen entsprechenden Vorwurf lokaler Revolutionskomitees prompt
zurück. Zugleich brüsteten sich regierungsnahe Offiziere für wenige
Stunden bei Facebook mit der unrühmlichen Tat. Möglicherweise nie
aufzuklären sein wird auch, wer hinter den inzwischen systematisch
erscheinenden Angriffen auf die Kopten entlang des Nils steckt. Sehr
wahrscheinlich hat das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Gemeinde in
Deutschland, Anba Damian, recht. Für ihn handelt es sich um
»Islamisten und die Spitze der Muslimbruderschaft, die es nicht
aushalten, dass Christen das Recht haben wollen, mit ihnen auf
demselben Boden zusammenzuleben.« Der in Höxter-Brenkhausen
residierende Bischof gilt als absolut integer. Sein Wort gilt.
Dennoch halten Beobachter in Kairo auch eine andere Variante für
denkbar: Schon in der Vergangenheit hatte auch die ägyptische
Staatssicherheit Pogrome gegen nichtislamische Mitbürger losgetreten,
um sich selbst als Schutzmacht gegen den Terror zu präsentieren. Kaum
bekannt sind die Foltercamps auf dem Sinai. Der renommierte
Afrika-Kenner Michael Obert aus Berlin hat sie gesehen. Berberstämme,
wir würden sagen »Gangster«, erpressen Flüchtlinge, die nach Israel
wollen. Perfideste Quälereien finden während erzwungener Telefonate
mit den Angehörigen etwa in Sudan oder Somalia statt, um
Geldüberweisungen zu erzwingen. Das alles geschieht in einem Gebiet,
das nicht nur die NSA wegen der dortigen El-Kaida-Strukturen
überwacht. Aber niemand rührt eine Hand. Drei Beispiele, ein Problem:
Die Länder des arabischen Frühlings schlittern in Chaos und
Unregierbarkeit. Selbst wenn der Westen eingreifen könnte, er würde
stets nur kleine Brände austreten. Allein die Auseinandersetzung mit
Bashir al-Assad und den unterschiedlichen Kämpfergruppen in seinem
längst zerfallenen Reich ist den USA und der EU de facto unmöglich.
Israel – mittendrin – hat sich eingeigelt. Ähnlich wie Iran – aus
ganz anderen Erwägungen – hält sich die regionale Großmacht noch
zurück.
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Andreas Kolesch
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