Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Zypern

Die Banken in der Republik Zypern sind bis
Dienstag geschlossen. Im Extremfall sperren sie ihre Türen nie wieder
auf. Darum geht es auf der kleinen Insel mit den großen Problemen.
Immerhin kann jeder Zyprer, der Geld braucht, am Automaten täglich
einge hundert Euro abheben – noch. Die Zukunft steht auf des Messers
Schneide. Der Zwergstaat, nicht einmal halb so groß wie
Ostwestfalen-Lippe, muss 5,8 Milliarden Euro zusammenkratzen.
Ansonsten rückt Europa seine bereitliegenden zehn Milliarden Euro
nicht raus. So einfach und so brutal ist die Realität, die die Zyprer
nicht wahr haben wollen. Die »Neue Zürcher Zeitung« kommentierte
gestern offenbar mit klammheimlicher Freude: »Schlaraffenland ist
abgebrannt«. Dabei sollten alle Beteiligten, auch der Finanzplatz
Schweiz, besser Öl auf die Wogen als ins Feuer gießen. Wie groß die
Verzweiflung auf Zypern ist, zeigt die Bereitschaft der orthodoxen
Kirche, alle Klöster zu verpfänden. Die Geste ist ehrenvoll, aber
bringt kaum Gewinn, geschweige denn eine Lösung. Denn es geht um
exorbitant mehr. Wladimir Putin hat Präsident Nikos Anastasiades
abblitzen lassen, der immerhin Lizenzen für die neuen Gasvorkommen
vor der Insel der Aphrodite bieten könnte. Die kalte Abfuhr liegt
daran, dass nach Angaben der Moskauer Wirtschaftspresse die ganz
großen Vermögen russischer und ukrainischer Oligarchen zwar via
Zypern verschoben wurden, aber längst in sichere Steueroasen
abgeflossen sind. Übrig bleiben die zwei größten Banken des Landes.
Die sind so pleite wie ihr Schuldner Griechenland. Sogar die
Geldeintreiber der Russen-Mafia gehen inzwischen leer aus. Nein, die
russische Karte ist nicht mehr Trumpf. Zyperns Regierung und
Parlament müssen einsehen, dass ihr eindeutiges Nein zur umstrittenen
Zwangsabgabe und damit zu den Brüsseler Milliarden hilflos und dumm
war. Sie wollten Zyperns Geschäftsmodell als Off-Shore-Finanzplatz
retten – dabei war dieser Status schon vor den jüngsten Turbulenzen
Geschichte. In dieser Einschätzung stimmen übrigens
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und SPD-Fraktionschef
Frank-Walter Steinmeier überein. Schon deshalb ist die nationale
Debatte über Leistungen und Versäumnisse der Bundesregierung
zweitrangig. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet auf europäischer
Ebene extrem harte Gespräche. Dort könnte ein zweiter Anlauf starten,
um die Bank of Cyprus und die Laiki-Bank in eine geordnete Insolvenz
zu führen. Dann wären alle Einlagen unter 100 000 Euro vollständig
geschützt, weil europäisch abgesichert. Und alle Vermögen darüber
müssten herangezogen werden, und die Eigentümer der Banken würden
bluten – statt der kleinen Leute. Schon in der letzten Woche wollten
die europäischen Finanzminister diese Lösung. Da war Zyperns
Regierung noch dagegen. Inzwischen müssten Präsident und Parlament
klüger sein.

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