Selten hat Angela Merkel ihren Urlaub so sehr
genießen können wie in diesem Jahr. Während sich die Kanzlerin in
Südtirol von den Strapazen der Euro-Rettung erholt, hat Ronald
Pofalla stellvertretend für den überforderten Vizekanzler Rösler die
Lage weitgehend im Griff. Aber es gibt noch einen Grund, warum sich
Angela Merkel entspannt zurücklehnen kann: die regelmäßigen, aber
zumeist wirkungslosen Profilierungsversuche ihrer politischen Gegner.
Allen voran ist da SPD-Chef Sigmar Gabriel zu nennen. Als junger
Vater, der sich zwischenzeitlich aus der Politik zurückgezogen hat,
um mehr Zeit mit seiner Tochter zu verbringen, hat er zwar mit
Windeln wechseln ohnehin schon genug um die Ohren. Trotzdem lässt er
keine Gelegenheit aus, um auf sich aufmerksam zu machen. Der nie
enden wollenden Forderung nach einem Mindestlohn beispielsweise
folgten die Banken-Schelte und aktuell die Reichensteuer – Themen,
über die sich diskutieren lässt, die aber alles andere als neu sind
und selbst in der Sommerpause niemanden mehr vom Hocker reißen. Da
fehlt auf Gabriels Profilierungstrip eigentlich nur noch die
Forderung einer lückenlosen Aufklärung im Fall Drygalla.
Gabriel ist omnipräsent. Doch während die Kanzlerin von
Umfragehoch zu Umfragehoch eilt, ziehen sich Gabriel und seine zwei
Mitstreiter um das Regierungsamt selbst runter. Keiner der drei kann
begeistern, keiner kann Merkel offenbar das Wasser reichen. Kein
Thema, kein Mut, kein Kopf. Die Troika verblasst. Hannelore Kraft
könnte die Sozialdemokraten vielleicht retten. Aber die
Ministerpräsidentin ist schlau genug, ihre Aussage, in
Nordrhein-Westfalen zu bleiben, nicht zurückzunehmen. Alles andere
wäre politischer Selbstmord.
Umfragen beziffern die Tristesse der Troika: Steinmeier,
Steinbrück und Gabriel erhalten nicht annähernd soviel Zustimmung wie
die Kanzlerin. Während Sigmar Gabriel im direkten Duell von 20
Prozent träumt, käme Merkel auf fast 60 Prozent. Nach dem aktuellen
»Wahltrend« des Forsa-Instituts hätte Peer Steinbrück bei einer
Direktwahl 26 Prozent, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier 27
Prozent.
Die SPD steckt in einem Dilemma. Viele sozialdemokratische Themen
wie die Energiewende hat die CDU abgeräumt. Bei der Rettung des Euro
darf die SPD der Kanzlerin nur artig zugucken. Und auch der
Hollande-Effekt ist längst verpufft.
Die SPD will sich erst im Januar 2013 auf einen Kanzlerkandidaten
festlegen. Da Steinbrück zwar der aussichtsreichste Herausforderer
Merkels wäre, in der Partei aber zu wenig Rückendeckung hat, läuft
alles auf einen Zweikampf zwischen Gabriel und Steinmeier hinaus.
Wahrscheinlich wird es am Ende der Lipper Steinmeier machen müssen.
Kritiker sind der Meinung, es sei ganz egal, wen die SPD ins Rennen
schicken wird. Sie glauben: Von den drei Kandidaten wird sowieso
keiner Kanzler.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261