Manche Sätze lassen einen nicht mehr los. Stets
aufs Neue bekommt man sie vorgehalten. Nein, hier ist jetzt nicht
wieder die Rede von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, seinem
Verhältnis zum Geld und einem bemerkenswerten Versuch der
Selbstzerstörung – obwohl es dazu gewiss noch einiges zu sagen gäbe.
Doch immer hübsch der Reihe nach: Und los geht dieses Superwahljahr
ja nicht mit der Bundestagswahl, sondern mit der in Niedersachsen. In
gut zwei Wochen, am 20. Januar, wird dort ein neuer Landtag gewählt.
Und da kommt einem unwillkürlich ein Satz in den Sinn. Er lautet:
»Mit 45 ist für mich Schluss in der Politik.« Und stammt von?
Richtig, Philipp Rösler war es, der sich so vernehmen ließ. Das
freilich ist länger her, und was einst Stärke zum Ausdruck brachte,
entpuppt sich heute bloß noch als blanke Ironie. So könnte es sein,
dass der FDP-Vorsitzende in den nächsten 18 Tagen gleich um satte
fünf Jahre altert. Verpassen die Liberalen ausgerechnet in Röslers
Heimat den Sprung in den Landtag, ist es um seine politische Karriere
geschehen – und das mit nicht einmal 40! Röslers Rücktritt vom Amt
des Parteichefs wäre unvermeidbar. Auch als Vizekanzler und
Bundeswirtschaftsminister agierte er allenfalls auf Abruf. Drei Jahre
nach dem Triumph bei der Bundestagswahl hätte der Absturz der FDP
unter seiner Führung einen neuen, kaum mehr für möglich gehaltenen
Tiefpunkt erreicht. Dabei gibt es genug liberale Ideen, für die es zu
streiten lohnte – erst recht in Zeiten, in denen die
Staatsgläubigkeit in Deutschland eine neue Hochkonjunktur erlebt.
Doch Rösler schweigt zu den großen Fragen und schachert um
Kleinigkeiten. Und wenn er grundsätzlich zu werden versucht, findet
er nicht den richtigen Ton. Rösler ist seiner Partei als Vorsitzender
stets mehr Ballast als Hilfe gewesen. So kämpft er verzweifelt für
sich, doch wer kämpft noch aufrichtig an seiner Seite? Nach Rösler
müssten wohl Rainer Brüderle, Vorsitzender der Bundestagsfraktion,
oder der NRW-Landesvorsitzende Christian Lindner oder beide zusammen
ran, um zu retten, was noch zu retten wäre für die FDP – und für
Schwarz-Gelb. Denn mit einem Scheitern der FDP in Niedersachsen wäre
nicht nur der Landesregierung unter CDU-Ministerpräsident David
McAllister die Geschäftsgrundlage entzogen. Hannover bildete mit
Blick auf Berlin auch das Menetekel, das die CDU zu Recht so
fürchtet. Und Rot-Grün hätte Steinbrücks Pannen zum Trotz endlich den
Anfang einer Story, den es gegen eine scheinbar übermächtige
Kanzlerin Angela Merkel so dringend braucht. Neulich hat Philipp
Rösler wieder einen bemerkenswerten Satz gesagt. Demnach könne, wer
nie am Abgrund gestanden habe, kein Großer werden. Daraus lässt sich
immerhin eines folgern: Der Mann ist noch zu einer realistischen
Einschätzung seiner Lage fähig. Weitere Schlüsse verbieten sich
jedoch: Den Gedanken nämlich hat Rösler nicht etwa selbst entwickelt
– er hat bloß Joschka Fischer zitiert.
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