Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema NRW-Haushalt:

Richter, die den Angeklagten schon vor der
Verhandlung wegen fortwährender Schuldenmacherei auf die Finger
klopfen, wünscht sich niemand. Auch eine Vorab-Belehrung seitens des
Gerichts, was man bis zum Urteilsspruch in etwa drei Monaten
tunlichst zu unterlassen habe, stimmt nicht froh und schon gar nicht
zuversichtlich. Genauso dürften sich Ministerpräsidentin Hannelore
Kraft (SPD) und ihr Finanzminister Norbert Walter-Borjans jetzt
vorkommen. Auch wenn die Entscheidung des Landesverfassungsgericht
noch völlig offen ist, stehen ihnen schlaflose Nächte und Wochen
voller Ungewissheit, wie im richtigen Leben, bevor. Tatsache ist
schon jetzt, das Gericht hat verhindert, dass nicht weiter Fakten
geschaffen werden, die sich im Nachhinein als unzulässig erweisen.
Genau so wurde in der Politik, und zwar von allen Parteien, bislang
gern verfahren. Insofern hat diese Entscheidung Bedeutung über die
reine Aussetzung des Haushaltsvollzugs in NRW hinaus. Niemand
verlangte gestern in Düsseldorf spontan Neuwahlen. Nicht einmal die
Kläger, die vor Gericht statt im Parlament, Punkte gemacht haben,
sind schon so weit. Wäre da nicht in Berlin die Neuauflage des
schwarz-gelben Gezänks vom Frühjahr 2010, Christdemokraten und
Liberale, könnten versucht sein, von neuen Chancen im Mai zu träumen.
Früher wird es kaum zu einem Urnengang kommen, sofern der Landtag
überhaupt zur Selbstauflösung bereit und fähig ist. Und wer bei
Rot-Grün mit Umfragezahlen hantieren und spekulieren will, sollte den
Januar 2010 vor Augen haben. Damals glaubten sich Jürgen Rüttgers
(CDU) und Andreas Pinkwart (FDP) absolut sicher auf der Siegerstraße.
Am 9. Mai war alles vorbei. Inzwischen sind die beiden politische
Nobodys. Die Nachfolgerinnen Kraft und Sylvia Löhrmann (Grüne) kennen
die Geschichte zu genau. Die Landespolitik steht fortan noch mehr
unter Finanzierungsvorbehalt, als das bisher schon der Fall war. Der
Entscheidungsspielraum ist dramatisch eingeengt. Neue,
kostenträchtige Politik wird fast unmöglich. Mehr noch: Der Haushalt
2011, der bis Ende Februar in seinen Eckpunkten stehen sollte, kann
solange nicht aufgestellt werden, wie nicht klar ist, was Münster
noch durchgehen lässt und was nicht. Denn NRW-Politik ohne eine
Überschreitung der Verschuldungsgrenze kann sich Kraft, so hat sie
mehrfach selbst betont, in NRW nicht vorstellen.

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