Westfalenpost: Ein Urteil mit fataler Wirkung / Kommentar von Jost Lübben zum Urteil im Hollstein-Prozess

Es ist ein Zeichen für die Stärke unserer
Gesellschaft, dass sie den Anspruch hat, jene zu stützen und
aufzufangen, die – oft unverschuldet – in Not geraten sind. Das gilt
auch, wenn diese Menschen Straftaten begehen. Insofern ist es nicht
nur richtig, sondern notwendig für eine unabhängige Justiz, bei der
Suche nach dem angemessenen Verhältnis von Sühne und Resozialisierung
die individuellen Umstände zu gewichten, unter denen jemand ein
Verbrechen verübt. Bei der zweijährigen Bewährungsstrafe für den
Mann, der Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein an Leib und Leben
bedroht hat, ist jedoch etwas aus dem Ruder gelaufen. Es geht nicht
nur um das Strafmaß. Es geht vor allem um die Begründung. Die Wirkung
ist fatal. Denn es entsteht der Eindruck, als hätten sich die Rollen
von Täter und Opfer verkehrt. Es scheint aus dem Blick zu geraten,
dass zu allererst die Opfer unsere Solidarität und unseren Schutz
verdienen. Es macht sprachlos, dass der Richter Andreas Hollstein
indirekt dafür kritisiert, dass er sich unmittelbar nach der Tat
nicht versteckt, sondern sehr bewusst in der Öffentlichkeit gezeigt
hat. Der langjährige Kommunalpolitiker bewies Haltung. Er wollte ein
Zeichen an all jene aussenden, die sich in unseren Städten und
Gemeinden Tag für Tag politisch engagieren, die sich in der
Öffentlichkeit bewegen, nahbar und damit verwundbar sind. Auch in
einem Döner-Imbiss. Der Christdemokrat Andreas Hollstein hat die
mediale Aufmerksamkeit eben nicht zum Selbstzweck genutzt. Das hat
der Richter offenbar nicht verstanden. Es wäre hilfreich gewesen, den
Täter klipp und klar an das Haftungsprinzip und die Verantwortung für
seine Tat zu erinnern. So bleibt ein Gefühl von Scham.

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