Westfalenpost: Nichtüberall ist jeder Tag ein Kindertag Von Lorenz Redicker

Weltkindertag. Wieder einer dieser Tage für die
Recht-, die Machtlosen dieser Welt. Ein Tag für Sonntagsreden. Und
einer, der so manchen Mitbürger fragen lässt: Brauchen wir das? In
Deutschland, ließe sich einwenden, ist doch jeder Tag ein Kindertag.
Jedenfalls für die Mehrzahl der Kinder. Die wächst heute meist gut
behütet auf, die Eltern kümmern sich. Auch die Schulen sind eher
besser geworden, so sehr man über die richtige Form streiten mag.
Natürlich gibt es auch hier Probleme, der Leistungsdruck etwa schon
im frühen Alter. Aber insgesamt lässt sich doch sagen: Unseren
Kindern geht es gut. Nur: Verallgemeinern sollte man das nicht. Neben
den gut Behüteten, den Kindern des Wohlstands, gibt es auch in
unserem Land eine große Zahl von Kindern, die gerade das Nötigste
haben – weil ihre Eltern arm sind (wobei Armut immer relativ ist). Ob
deren Zahl wächst, ist dabei zweitrangig. Wir dürfen niemanden
zurücklassen, auch Kinder am Rand der Gesellschaft müssen ihre
Chancen bekommen. Das ist Aufgabe des Staates, der gesamten
Gesellschaft. Daran darf an einem Kindertag erinnert werden, aber
auch an jedem anderen Tag. Und überhaupt heißt es ja: Weltkindertag.
Kinder in Deutschland sind privilegiert, verglichen mit ihren
Alterskameraden in vielen Staaten dieser Welt. Wo schon Sechsjährige
auf der Straße leben oder für den Unterhalt der Familie schuften, wo
sich Zehn-, Zwölfjährige prostituieren müssen, ist Kindheit kaputt.
Und wo 61 Millionen Kinder ohne Zugang zu Bildung aufwachsen, sind 61
Millionen Zukunftsentwürfe früh zerstört. Ein Kindertag lenkt die
Blicke auch über den Tellerrand. Nicht überall ist jeden Tag
Kindertag.

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