Zollkriminalamt ermittelt mit falschen Internet-Accounts unkontrolliert im Darknet / Keine Regeln zum Einsatz der Accounts – Zahlen werden nicht erhoben / „Report Mainz“ am 28.11., 21:45 Uhr im Ersten

Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins „Report
Mainz“ fahndet der Zoll mit zahlreichen erfundenen oder von
festgenommenen Personen übernommenen Accounts im Darknet. Dabei weiß
die Behörde weder, wie viele Accounts sie nutzt, noch gibt es
Vorschriften, wie solche Accounts bei Ermittlungen eingesetzt werden.
Auch in anderen Bundesbehörden wie dem BKA fehlt es bislang an Regeln
für den Gebrauch solcher Internet-Accounts. Das ergab die Antwort auf
eine kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag. Andere
Bundesbehörden führen eine entsprechende Statistik: So nutzte allein
die Bundespolizei in den vergangenen zwei Jahren weit über 400
erfundene Accounts im Darknet und anderen Kommunikationsnetzwerken.

Der Zoll als Hauptermittlungsbehörde im Darknet verfüge aber
vermutlich über weit mehr Accounts, meint die Linken-Abgeordnete
Martina Renner: „Wenn die Ermittler dort aber hunderte falscher
Accounts nutzen, dann stellt sich die Frage: Was machen die dort?
Sind die bei jedem zweiten Waffengeschäft dabei? Als Zuschauer? Oder
sind sie sogar selbst in die Geschäfte verwickelt?“ Das müsse nun
aufgeklärt werden, denn Zollbeamte dürften sich nicht illegal
verhalten, auch nicht um Straftaten aufzudecken. Renner: „Wenn heraus
käme, dass der Zoll zum Beispiel von der Vorbereitung von Straftaten
wusste und nicht interveniert hätte, wäre das ein großes Problem,
denn da geht–s am Ende um Menschenleben; um Leute, die möchten mit
der Waffe größtmöglichen Schaden anrichten, die planen vielleicht ein
Attentat.“

„Report Mainz“ gegenüber bestätigte die Bundeszolldirektion die
mangelnde Kontrolle der eingesetzten Accounts: „Die Zollverwaltung
nutzt im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und unter Einhaltung der
rechtlichen Möglichkeiten sog. Fake-Accounts zur
Informationsgewinnung und Unterstützung von Ermittlungsverfahren.
Zuvor von Dritten eingerichtete Accounts werden in enger Absprache
und nach Vorgabe der jeweils sachleitenden Staatsanwaltschaft
genutzt. Interne Regelungen dazu bestehen daher nicht. Eine
statistische Erfassung erfolgt nicht.“

Wie intensiv die Zollfahnder im Darknet agieren, zeigten bereits
die Ermittlungen rund um das Attentat im Münchner Olympia-Zentrum. So
veranlasste der Zoll den Waffenlieferanten des Attentäters mithilfe
des übernommenen Accounts „Erich Hartmann“ zu einem weiteren
Waffenverkauf. Bei der Übergabe wurde er festgenommen. Der
Waffenhändler steht derzeit in München vor Gericht. Die Zoll-Fahnder
hinter dem Pseudonym „Erich Hartmann“ waren auch in Kontakt mit dem
Münchner Attentäter – und das Monate vor dem Anschlag. Warum sie
nicht eingegriffen haben und nach welchen Regeln sie dabei
vorgegangen sind, ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an „Report Mainz“, Tel. 06131 929
33351 oder -33352.

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