Mittelbayerische Zeitung: Falsches Signal in Jerusalem / Trump versetzt dem Friedensprozess mit den Palästinensern den Todesstoß. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Eines kann man Donald Trump nicht nachsagen:
Dass er seine Versprechen im Wahlkampf, so umstritten sie auch
gewesen sein mögen, nicht umsetzt. Genau 70 Jahre, nachdem David
Ben-Gurion am 5. Ijjar 5708 des jüdischen Kalenders – am 14. Mai 1948
– den Staat Israel ausgerufen hat, lässt der US-Präsident eine
Nebenräumlichkeit des bisherigen US-Konsulats in der Jerusalemer
David Flusser Straße zur Botschaft ausrufen. Der vollständige Umzug
der Gesandtschaft des wichtigsten Bündnispartners Israels aus Tel
Aviv sowie ein Botschaftsneubau kann sich dagegen noch Jahre
hinziehen. Wichtig ist Trump vor allem das Signal: Mit der
Botschaftsverlegung erkennt er ganz Jerusalem als Hauptstadt Israels
an. Er schreddert damit die auf Ausgleich bedachte und
Netanjahu-kritische Politik seines Vorgängers Barack Obama. Doch dass
die seit Jahrhunderten umkämpfte Heilige Stadt zu fast 40 Prozent von
Palästinensern bewohnt wird und der Ostteil eigentlich als Hauptstadt
eines palästinensischen Staates vorgesehen ist, schert Trump nicht.
Er schafft, unbeeindruckt von internationaler Kritik, Fakten. Aber
leider ist die Deklarierung der US-Botschaft in Jerusalem ein
falsches, ein verhängnisvolles Zeichen für den Nahen Osten. Sie
versetzt dem ohnehin am Boden liegenden Friedensprozess zwischen
Israelis und Palästinensern den Todesstoß und macht die seit
Jahrzehnten angestrebte Zweistaaten-Lösung schier unmöglich. Trump
ist nun ganz offiziell nicht mehr Teil der Lösung des
Nahost-Konflikts, sondern Teil des höchst vertrackten Problems. Dabei
verdeutlicht Jerusalem wie in einem Brennglas die Probleme des Nahen
Ostens. Gleich nach Ausrufung des Staates befand sich Israel im Krieg
gegen die umgebenden arabischen Staaten und die Palästinenser, die
zum Teil aus ihren angestammten Gebieten vertrieben wurden. Die
Sicherheit des Staates der Juden wurde nicht nur zur Staatsdoktrin,
militärische Stärke ist bis heute die Überlebensversicherung in einem
arabischen Umfeld, das Israel noch immer das Existenzrecht abspricht.
Das ethnisch und religiös tief gespaltene Jerusalem steht für diesen
Konflikt. Es gibt in der Stadt sogar zwei getrennte Bussysteme, zwei
unterschiedliche Sprachen. Seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967
untersteht auch der weitgehend arabische Ostteil der Stadt Israel.
Wie verworren die Situation ist, zeigt etwa, dass Jordanien auf einen
Teil der neuen amerikanischen Botschaft Gebietsansprüche erhebt, weil
es nicht in Israel, sondern in besetztem Niemandsland läge. Jerusalem
gilt nicht nur ultraorthodoxen und nationalreligiösen Juden als
Symbol ihres Staates. Die Stadt mit der Klagemauer ist allen Juden
heilig. Auf der anderen Seite betrachten Palästinenser den Ostteil
der Stadt mit dem Tempelberg als unveräußerliches palästinensisches
Gebiet. Gibt es überhaupt eine Lösung dieses Konflikts, der immer
wieder Tote und Verletzte fordert – und zwar auf beiden Seiten?
Wahrscheinlich wird es keine ideale Lösung, kein himmlisches
Jerusalem geben. Es wäre jedoch schon viel gewonnen, wenn die Lage in
der Region entspannt werden könnte. Wenn die Gewalt von
Palästinensern, geschürt von der Hamas, ebenso beendet werden könnte
wie die Härte der israelischen Sicherheitskräfte. Doch dazu bedarf es
des Friedens- und Verständigungswillens auf beiden Seiten. auf
israelischer und palästinensischer. Trump hat dem jedoch gerade einen
Bärendienst erwiesen. Dennoch sollte Europa, zumal Deutschland, das
Israel gegenüber eine besondere historische Verantwortung trägt,
trotz des jetzigen politischen Rückschlages an seiner mäßigenden
Politik im Nahen Osten, seinen Kontakten zu beiden Seiten festhalten.

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