Neue Presse Hannover: Regierung zeigt offene Flanke. Ein Kommentar von Fabian Mast

Das Atom-Moratorium war also Wahltaktik. Damit
konnte nun wirklich keiner rechnen: Ein Politiker, der ohne Rücksicht
auf Verluste einfach mal die Wahrheit sagt. Mit einem Denkmal muss
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle deswegen wohl nicht rechnen. Eher
mit einem Rausschmiss aus dem Kabinett. Der vorher zur Schau
getragene Sinneswandel in der Atompolitik war demnach eine Täuschung
– nach Guttenberg das nächste Image-Desaster für die Koalition. Die
Regierung, die sich nicht nur beim Atom-Moratorium so hemmungslos bei
den Positionen der Opposition bedient, hat ein ernsthaftes Problem
mit ihrer Glaubwürdigkeit. Drei Tage vor zwei Landtagswahlen dreht
sie ihren Gegnern die offene Flanke zu. In Zeiten, wo Parteien
austauschbar sind und die Politik immer komplexer wird, bleibt
Glaubwürdigkeit das letzte, große Pfund im Wahlkampf.
Senkrechtstarter wie Obama und – anfangs! – Guttenberg gelang vor
allem deshalb der Durchbruch, weil sie zumindest den Anschein
erwecken konnten, dem gängigen Politzirkus mit erfrischender
Ehrlichkeit begegnen zu wollen. Brüderles Bekenntnisse haben damit
nichts zu tun. Er sprach die Wahrheit, aber sie war nicht ehrlich
gemeint – das gemeine Volk sollte davon eigentlich nichts
mitbekommen. Nur eine Auslese von Top-Managern. Das ist keine
Offenheit, das sieht eher aus wie ein Kotau vor der Wirtschaft, wie
eine Entschuldigung für ein neues Gesetz. Als Wortakrobat ist
Brüderle noch nie aufgefallen – dem Rollstuhlfahrer Schäuble neidete
er einst bei einer Pressekonferenz den Sitzplatz. Der aktuelle Patzer
ist aber ganz besonders dämlich, weil er am Sonntag zwei
Wahlniederlagen besiegeln könnte. Das würde wohl auch die Wende im
Bund bedeuten. Beschweren darf sich die Koalition darüber nicht.

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