Es ist Murat Dereci zu gönnen, dass ihn und seine
Familie die Härten des verschärften Fremdenrechts nicht länger
treffen. Österreichs Integrationspolitik hat der EuGH damit aber
einen Bärendienst erwiesen.
Das scheinbar unpolitische, streng an der herrschenden Rechtslage
orientierte Urteil konterkariert nämlich auf einem Nebengleis
sinnvolle Integrationsbestrebungen wie die Verpflichtung zum
Deutschlernen. Das mag aktuell nicht einmal 800 Menschen pro Jahr
betreffen – dennoch ist es angesichts schlechter Bildungs- und
Karrierechancen speziell türkischer Jugendlicher das falsche Signal.
Der EU-Gerichtshof hätte besser daran getan, politisch zu bewerten,
dass sich die Umstände, unter denen in den 1960er-Jahren in vielen
Ländern „Gastarbeiter-Abkommen“ geschlossen wurden, stark verändert
haben. Es geht nicht um ein paar hundert Arbeiter, die in den
Wirtschaftswunderländern Europas ein paar Jahre den Dreck wegputzen
und dann (hoffentlich) wieder heimfahren. Es geht um eine gewachsene,
große Gemeinschaft, die in den letzten Jahren, auch aufgrund der
zunehmenden Aggression von rechts, ohnehin Abschottungstendenzen nach
außen zeigt.
Lange genug haben Österreichs Regierende gebraucht zu erkennen, dass
Integration nicht Wegschauen und Schönreden heißt. Dass nun gleich
eine ganze Gruppe von Zuwanderern jeglicher Integrationspflichten
enthoben wird, ist vor allem Wasser auf die Mühlen der FPÖ.
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Der Standard
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