Radikal-liberale Kapitalisten haben es immer schon
vermutet: Gibt man den einfachen Leuten zu viel Geld, dann stellen
sie nur Unsinn damit an. So lassen sich knappe Löhne moralisch
rechtfertigen.
Ganz frei von der Idee, dass Geld gar nicht glücklich machen kann,
sind auch linke Vordenker nicht: Durch ihre Vorstellungen von
Familienpolitik geistert das Gespenst des seinen Lohn (und jegliche
Kinderbeihilfe) versaufenden Familienvaters, vor dem man Mutter und
Kinder am besten dadurch schützt, dass man ihm Bares vorenthält.
Zusammengenommen ergibt das jenes familienpolitische Konzept, das der
Präsident der Industriellenvereinigung gemeinsam mit dem Präsidenten
der Arbeiterkammer am Montag präsentiert haben. Der eine ist gar
nicht rot geworden dabei, der andere hat sich nicht schwarz geärgert.
Statt den Müttern – denen aus Misstrauen gegen die angeblich
versoffenen Väter die Familienbeihilfe in der Regel ausbezahlt wird –
gutes Geld und damit ökonomische Freiheit zu geben, wollen die Herren
Sozialpartner die Eltern künftig zumindest teilweise mit Gutscheinen
abspeisen.
Steuererleichterungen für Eltern? Weg damit!_Berücksichtigung der
Bedürfnisse von Mehrkindfamilien? Nix da! Individuelle Freiheiten in
der Kindererziehung? Purer Luxus, der durch eine einheitliche
„Betreuung“der Kinder ersetzt werden soll.
Das waren einmal die Positionen der SPÖ im Wahlkampf 1970. Inzwischen
kämpft die Industriellenvereinigung für dieselben Anliegen – „völlig
ideologiefrei“, wie Präsident Veit Sorger bekundet. Ihm ist als
Vertreter der größten Arbeitgeber des Landes im Sinne des Standortes
sehr daran gelegen, dass Arbeitnehmer ihre kleinen Kinder gut
betreuen lassen und am Erwerbsleben teilnehmen.
Ein ehrenvolles Anliegen – aber wenn es den Arbeitgebern ernst damit
wäre, dann hätten zumindest die größeren (eben die Industriebetriebe)
Betriebskindergärten und Privatschulen eingerichtet, um den
Arbeitnehmern und deren Kindern (also den künftigen Arbeitnehmern)
das Allerbeste zu bieten. Auf Nachfrage hat Sorger keine Ahnung, wie
viele Betreuungsplätze es in Betriebskindergärten der von ihm
vertetenen Unternehmen gibt – und wie sich die Zahlen in den
vergangenen Jahren entwickelt haben. Derartige betriebliche
Sozialleistungen sind eher im Bereich der Anekdote als in der
täglichen Praxis angesiedelt.
Nun könnten Eltern die – volkswirtschaftlich wünschenswerte –
Kinderbetreuung auch auf dem freien Markt kaufen, der sonst so gerne
beschworen wird: Hätten Eltern genügend Geld im Börsel, würden die
entsprechenden Betreuungsangebote auch geschaffen und kommerziell
erfolgreich betrieben. Aber daran scheint die Familienpolitik kein
Interesse zu haben – stattdessen wird versucht, öffentliche
Einrichtungen für die Kinderbetreuung zu schaffen, die der
Steuerzahler finanzieren soll – und bei denen die Eltern Gutscheine
einlösen dürfen.
Das erinnert an Mangelverwaltung, die in Österreich schon lange als
überwunden galt – ältere Mitbürger erinnern sich wohl noch an die
Lebensmittelmarken der Kriegs- und Nachkriegszeit. Tatsächlich gibt
es einen Mangel in all den Bereichen, die Kinder betreffen – von der
Kinderkrippe bis zur Universität. Dass man dem mit einem
Gutscheinsystem abhelfen will, ist ein Eingeständnis des Versagens
der Familienpolitik.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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