Lausitzer Rundschau: Erosion der Macht Zu den Ergebnissen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

Man kann seit Sonntag förmlich auf den Windstoß
warten, der Angela Merkels schwarz-gelbe Machtzitadelle davonfegen
wird. Da steht nur noch eine marode Hülle. Und es liegt ja nicht nur
an der FDP. Die Liberalen sind seit gestern wieder etwas
stabilisiert. Allerdings werden die Unruhen dort weitergehen, weil
sich mit Christian Lindner einer in einem schweren Wahlkampf Achtung
erworben hat, der die Partei perspektivisch womöglich besser führen
kann als ihr aktueller Vorsitzender. Schon in die Bundestagswahl? Das
könnte das Theaterstück des Winters werden. Das Problem ist die Union
selbst. 2005 war für Schröder Schluss, als die SPD in
Nordrhein-Westfalen die Macht verlor. Und Merkels Karriere begann.
Jetzt ist die Union abgestürzt. Das Ergebnis ist eine historische
Blamage. Aber es ist nicht die erste. In fast allen zurückliegenden
Landtagswahlen hat Schwarz-Gelb teils drastisch verloren, mal die
CDU, mal die FDP, oft beide. Regierung um Regierung musste abgegeben
werden. Und gestern hat die SPD auch noch zum ersten Mal einen
richtigen Sieg errungen, nicht so einen halben wie sonst immer. Sie
kann nun im Bundestagswahlkampf behaupten, dass eine rot-grüne
Mehrheit möglich sei, trotz der Zersplitterung im linken Lager.
Angela Merkels Macht hat keinen politischen Unterbau mehr. Die
Zweidrittelmehrheit am Freitag im Bundesrat gegen eines ihrer Gesetze
war dafür das bisher deutlichste Zeichen. Selbst
CDU-Ministerpräsidenten, so noch vorhanden, stimmten mit der
Opposition. Die Beißhemmung ist weg. Zustimmungspflichtige Gesetze
gehen in der Länderkammer sowieso nicht mehr durch. Und im Bundestag
fehlte bei der letzten Griechenland-Abstimmung auch schon einmal die
Kanzlermehrheit. Rette sich wer kann, ist die Devise vieler
Koalitionsabgeordneter. Dazu kommt der personelle Aderlass: „Muttis
Klügster“, Norbert Röttgen, kehrt geschlagen und schwer gedemütigt
von seinem Provinzausflug zurück nach Berlin, noch ein Aktivposten
weniger. Guttenberg ist schon weg, auch Schavan angeschlagen. Dazu
das Desaster mit Wulff. Kronprinz Koch hat sich rechtzeitig vom Acker
gemacht. Der letzte kleine Kronprinz, den es noch gibt, David
McAllister, zittert seiner Wahl im Januar entgegen und denkt an
alles, bloß nicht an Aufstieg. Die beispiellose Negativserie der
Union hat eine tiefere inhaltliche Ursache. Sie liegt darin, dass der
größten Regierungspartei die Führungskraft gefehlt hat, um sich von
den Gelben und den Christsozialen nicht in Abenteuer wie die
mehrfache Energiewende, die Hotelsteuer und die falsche
Libyen-Enthaltung manövrieren zu lassen. Sie liegt darin, dass die
Koalition von Landtagswahl zu Landtagswahl laviert hat, statt eine
politische Linie zu definieren und ihr zu folgen. Es war Angela
Merkel, der die Führungskraft gefehlt hat. Wahrscheinlich wird man
dafür bald das nächste Beispiel erleben, wenn sie gegen alle Kritik
das Betreuungsgeld passieren lassen sollte, womöglich noch versüßt
mit milliardenteuren Geschenken, die die Kritiker einkaufen sollen.
Wenn das geschieht, wenn auch im Kanzleramt ganz offen nur noch Panik
statt Vernunft regiert, dann ist das Ende nicht mehr weit. Dann ist
Göttinnen-Dämmerung.

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