Dieser Kongress in Nürnberg ist längst
überfällig. Zum ersten Mal diskutieren dort seit Freitag rund 500
Vertreter von Vereinen, Kirchen und anderen Organisationen über die
ungewisse Zukunft des Ehrenamts. Denn leider nehmen immer weniger
Menschen ihre soziale Verantwortung für die Gesellschaft wahr. Nur
noch 17 Millionen der über 14-Jährigen waren es bei der letzten
Erhebung, die das Deutsche Rote Kreuz 2011 in Auftrag gegeben hatte.
Den Deutschen laufen förmlich die Freiwilligen davon, und dafür gibt
es gute Gründe. Während sich in wirtschaftlich starken Bundesländern
wie Baden-Württemberg und Bayern noch immer fast 40 Prozent der
Bevölkerung (über 14 Jahren) ehrenamtlich engagieren, sind es im
armen Berlin nur noch neun. Die extremen regionalen Unterschiede
verwundern wenig, wenn man weiß, dass vor allem Bildung, Wohlstand
und Familienbande ehrenamtliches Engagement fördern. Wem es selbst
nicht gut geht, der hat auch wenig Motivation, sich für andere
einzusetzen. Die Gründe für den schleichenden Tod des Ehrenamts sind
zudem vielfältig. Man muss genau hinschauen, wer mit welchen
Problemen zu kämpfen hat. Die Kirchen beispielsweise, die stets auf
eine große Herde freiwilliger Schäfchen in ihren Pfarrgemeinden
zählen konnten, haben das Problem der immer schwächer werdenden
konfessionellen Bindung an die kirchlichen Institutionen. Viele
zahlen zwar noch brav ihre Steuer, sehen jedoch ein Gotteshaus oder
ein Gemeindezentrum nur bei Hochzeiten und Todesfällen von innen.
Ganz anders liegt der Fall bei den Sportvereinen. Allein die 12 000
Vereine, die dem Bayerischen Landessportverband angehören, haben seit
Jahren kein Mitglieder-, sondern ein massives Führungsproblem. In
unserer gesundheitsbewussten, aktiven Gesellschaft, in der Sport für
viele zum Alltag gehört, gibt es zwar jede Menge Menschen, die gerne
und intensiv Sport treiben, aber nur wenige, die auch bereit sind,
ein Amt in der Vorstandschaft zu übernehmen. Immer häufiger enden
außerordentliche Hauptversammlungen mit Neuwahlen mit der Auflösung
des gesamten Vereins, weil sich auch im dritten Anlauf keiner findet,
der die Verantwortung übernimmt. Eigentlich ein Armutszeugnis für den
betroffenen Verein, aber aus Sicht der potenziellen Kandidaten
durchaus verständlich. Denn ein Sportverein mit mehreren Abteilungen
und zum Teil mehr als 1000 Mitgliedern, wie es ihn in nahezu jeder
größeren Gemeinde gibt, ist mittlerweile zu einem Verwaltungsmonster
geworden, das guten Gewissens nicht mehr nebenbei geführt werden
kann. Hier handelt es sich vielmehr um kleine Unternehmen mit oft
mehreren Mitarbeitern (Platzwart, Putzfrau), Grundbesitz
(Sportanlagen und Clubheime) sowie einem Umsatz jenseits der 100
000-Euro-Grenze. Die Politik versucht an dieser Stelle zu helfen,
übernimmt beispielsweise Haftpflicht- und Unfallversicherungen. Ein
wichtiger Beitrag vor allem im Rettungswesen, wo Feuerwehr und THW
ohne Freiwillige verloren wären. Hinzu kommen steuerliche Anreize.
Aber es geht in dieser Diskussion nicht ums Geld. Zeit heißt das
Zauberwort, denn unsere Freizeit ist ein kostbares Gut geworden. Umso
erstaunlicher ist es, dass die, die sich laut Statistik in Bayern am
meisten engagieren, mit 44 Prozent die 35- bis 44-Jährigen sind – und
nicht die Rentner, die eigentlich am meisten Zeit hätten. Und genau
hier liegt der Schlüssel, schlummert das meiste Potenzial. Doch die
Generation „60 +“ ist kein einfaches Klientel. Diese Gruppe will
umworben werden. Jetzt sind die oft jungen Führungsmannschaften
gefordert, den Schritt auf die Älteren zu zugehen, ihnen zu zeigen,
dass sie gebraucht werden. Damit die wohl einzigartige
Erfolgsgeschichte des Ehrenamts – eine geniale Erfindung, bei der es
eigentlich nur Gewinner gibt – weitergeschrieben werden kann.
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