DER STANDARD – Kommentar „Lügen, betrügen und schweigen“ von Alexandra Föderl-Schmid

Er hat euch nicht belogen! Einfach ehrlich, einfach
Jörg.“ Auf einem anderen Plakat rühmte sich die FPÖ: „Wir – die
Fleißigen und Tüchtigen“. Jetzt wissen es nicht nur die Kärntnerinnen
und Kärntner besser. Es wurde nicht nur gelogen und betrogen, sondern
es wurden auch die Konten und Taschen von Politikern und Lobbyisten
im schwarz-blauen Umfeld in der Zeit nach der sogenannten Wende im
Jahr 2000 tüchtig gefüllt.
Die Skandale, die in den vergangenen Monaten in Serie an die
Öffentlichkeit kamen, zeigen, dass im ganzen Land Korruption Teil des
politischen Systems ist. Es haben nicht nur einzelne Falotten davon
profitiert. Geld ist auch in den Kassen der Parteien gelandet.
Das System Haider und die Korruption waren nicht nur auf Kärnten
beschränkt. Die Buberlpartie – ursprünglich angeführt vom Kärntner
Karl-Heinz Grasser – war auch in Wien fleißig. Die Haider-Zöglinge
verrechneten für Studien und Vermittlungsleistungen Millionenhonorare
– wie auch der umtriebige Graf Alfons Mensdorff-Pouilly, Gatte der
langjährigen Ministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP).
Und der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat nicht nur
weggeschaut. Die ÖVP machte in Kärnten mit als williger Akteur im
System Haider. Deshalb kann sich die Bundespartei nicht einfach
abputzen und so tun, als hätte sie mit den Vorgängen dort nichts zu
tun.
Parteichef Michael Spindelegger hat auch dann noch an seinem Kärntner
Parteichef Josef Martinz festgehalten und nicht zum Rücktritt
gedrängt, als der Korruptionsverdacht schon im Raum stand. Die
Bundesparteispitze hat geduldet, dass er sein Amt nur ruhend stellte.
Der Rücktritt von Martinz, seinem Büroleiter Achill Rumpold und
anderen Kärntner VP-Politikern erfolgte erst, als es nicht mehr
anders ging. Auch bei Ernst Strasser bedurfte es eines handfesten
Videobeweises, ehe ihm das EU-Mandat entzogen wurde.
Weil so viele aus ihren eigenen Reihen „Dreck am Stecken haben“, um
ein anderes geflügeltes Wort von Jörg Haider zu zitieren, halten sich
Spitzenpolitiker aus ÖVP und FPÖ bemerkenswert zurück mit
Wortspenden. Wenn selbst der niederösterreichische Landeshauptmann
Erwin Pröll von seinem Parteichef verlangt, „Spindel-egger muss das
einfordern, was er selbst lebt“, zeugt von Handlungsbedarf. Wo die
65.000 Euro geblieben sind, die Martinz in Kärnten im Namen der
Partei kassiert hat, muss die ÖVP im eigenen Interesse sehr rasch
klären. Dass FPÖ-Chef Strache lieber urlaubt und sich nicht
ausführlicher zu Wort meldet, verwundert weniger. Er weiß, dass er
gegen die Gebrüder Scheuch nichts ausrichten kann.
Auch SPÖ-Parteichef Werner Faymann gibt sich wortkarg und verweist
auf die Kärntner Genossen. Inzwischen wird unter anderem gegen den
Kärntner SP-Klubchef Reinhard Rohr ermittelt. Auch außerhalb Kärntens
und Wiens ist die Justiz aktiv: In Linz ermittelt die
Staatsanwaltschaft gegen den Finanzstadtrat Johann Mayr (SPÖ)_wegen
Franken-Spekulationen, bei denen es um einen Schaden von bis zu 417
Millionen Euro geht.
Egal ob es um den Verdacht der Untreue, Parteienfinanzierung oder um
missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern geht: Es muss für
Politiker aller Parteien selbstverständlich sein, dass sie von ihren
politischen Ämtern zurücktreten, wenn die Justiz untersucht. Auch
Macht braucht Moral.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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