Von allem, was wir über Joanne K. Rowlings
neues Buch „Ein plötzlicher Todesfall“ lesen werden, sind die
Rezensionen das Unwichtigste – sie pflegen sich bei jeder
spektakulären Premiere in alle Richtungen aufzuspreizen. Der
plötzliche Todesfall in einer fiktiven, englischen Kleinstadt namens
Pagford löst eine Lawine von Intrigen und Gehässigkeiten aus. Man
blickt hinter der biederen Dekoration in ein Netzwerk aus
Feindschaft, Gewalt, käuflichem Sex und Drogen. Kein schlechter Plot
– Vollprofi Rowling und ihre tüchtigen Verlagsberater haben natürlich
sorgsam darauf geschaut, dass sich der Stoff auch glatt verfilmen
lässt. Wie das nun welchem Rezensenten bisher gefiel, hätte man auch
im Voraus parodieren können, ähnlich Ephraim Kishons Starkritiker
Kunstetter, der alle Kritiken fertig geschrieben in einem Regal
aufbewahrt – sie brauchen nur noch gezogen werden, wenn das
betreffende Stück aufgeführt wird. Dieser Kleinstadt-Trouble der
Gegenwart war also für den einen Rowlings– tapferes Anpacken sozialer
Gegenwartsprobleme, für den anderen ein müdes Anbiedern an großen,
zeitkritischen Autor Charles Dickens. Man hörte, dass in dem Buche,
das ausdrücklich für Erwachsene geschrieben wurde, obszöne Ausdrücke
vorkämen. Das war für den einen peinlich, ordinär und der berühmte
Schritt zu weit, für den anderen die Schilderung schmerzhafter
Wirklichkeit. Endlich habe Rowling reale Dinge angepackt, Klartext
gesprochen, es sei, wie es ist. Das Buch soll sowohl plump
zusammengekleistert als auch klug gebaut sein, ach, wäre die Autorin
bei ihren Leisten geblieben, nein, sie hat ihren Bruch souverän
vollzogen und sich über ihr Fantasy-Kismet Harry Potter
hinwegzusetzen vermocht. Interessanter als dies Geplänkel ist das
Phänomen Rowling selber. Es gibt eine deutsche Startauflage von 500
000 Exemplaren, der Taschenbuchvertrag mit Ullstein ist
unterzeichnet, die Filmrechte verkauft. Die Autorin ist längst zur
Geldmaschine geworden. Es ist unglaublich und märchenhaft, wie die
von Sozialhilfe lebende alleinerziehende Mutter in den 90er Jahren im
Café Elephant House in Edinburgh ihre Harry-Potter-Saga mit dem Kuli
in Collegeblocks schrieb. Und dann bei den 20 größten Verlagen
abblitzte: „Was haben Sie geschrieben? Über einen Jungen, der zaubern
kann!? Jesses, ist Ihnen nichts Besseres eingefallen?“ Und wie sie
hernach mit dieser originellen und so herrlich britischen Zauberwelt
zur Milliardärin wurde. Schnell war klar, dass Joanne K. Rowling
einen solch ungeheuren Welterfolg niemals wiederholen kann. Auch mit
sieben Folgen ist sie ein „One-book-wonder“ wie Patrick Süskind („Das
Parfüm“) oder Benjamin Lebert („Crazy“). Die Geldmaschine darf aber
nicht angehalten werden. Neben den profitablen Kinofilmen, dem
„Märchen von Beedle dem Barden“, dem Harry-Potter-Handbuch und der
Website „Pottermore“ wird nun also ihr Roman aus Padford vermarktet.
Was jetzt noch drinsteht, ist eher unerheblich, so lange Rowling
draufsteht. Ähnlich läuft es mit dem Phantom-Bestseller „Shades of
Grey“ oder den Klamotten der US-Marke „Hollister“, die eher bieder
sind, die Masche, sie zu verkaufen, aber ganz und gar nicht. Mrs.
Rowling ist für die Verlage eine sichere Bank, die Dame verspricht
grundsätzlich Traumgewinne. Kleinstadtdramen wie ihre Pagford-Episode
dürfte es dutzendfach in erheblich lesenswerterer Qualität geben –
veröffentlicht werden sie nur selten, es fehlt halt der Name, der
zieht: tja, Pech gehabt. Jede Wette auch, dass das Geschäft mit Harry
Potter weitergehen wird. Im Gespräch mit der US-Talkmasterin Oprah
Winfrey sagte Rowling: Ich habe noch Stoff für weitere
Harry-Potter-Bücher inkl. Teil 10.
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