WAZ: Den Grünen fehlt das Thema – Kommentar von Walter Bau

So viel zumindest ist klar: Nach der Bundestagswahl
in einem Jahr wollen die Grünen in Berlin unbedingt mitregieren. Das
ist aber auch das einzig Klare. Wie verläuft der Kurs Richtung Macht:
bürgerlich oder alternativ? Links oder rechts? Rot-Grün oder
vielleicht doch Schwarz-Grün? Bei den Grünen gibt es dieser Tage mehr
Fragen als Antworten. Diese Zerrissenheit spiegelt sich im Umgang mit
dem grünen Spitzenpersonal. Zuerst straft die Basis Claudia Roth bei
der Urwahl ab und hebt stattdessen die Realpolitikerin
Göring-Eckhardt auf den Schild. Nur eine Woche später wird die Linke
Roth plötzlich wieder gefeiert, als wäre nichts gewesen – und dafür
der Realo Boris Palmer abgewatscht. Oder: Co-Parteichef Cem Özdemir
verkündet in Hannover lauthals, im Lager der Union Wähler abwerben zu
wollen – ohne sich aber inhaltlich der CDU zu nähern. Wie soll das
gehen? Özdemir blendet zudem aus, dass die Grünen, etwa im
beschaulichen Baden-Württemberg, längst als wertkonservative Partei
wahrgenommen – und gewählt – werden. Das Problem der Grünen: Nachdem
selbst CDU und FDP die Energiewende ausrufen, fehlt ihnen ein
originär grünes Thema. Das Großthema soziale Gerechtigkeit verorten
die Wähler immer noch eher bei der SPD. Die Kompetenz in der
Finanzpolitik verbucht die Union für sich. Da bleibt nicht viel Raum
für grüne Profilierungen.

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