„DER STANDARD“-Kommentar: „Links von der SPÖ ist noch Platz“ von Conrad Seidl

Die Grazer Kommunalpolitik war schon immer für
gewisse Kuriosa gut: 1973 wurde der stramm-rechte FPÖ-Mann Alexander
Götz zum Bürgermeister gewählt. Nach der Ära Götz experimentierte die
Stadt mit einer Teilzeitlösung im Bürgermeisteramt. Und schließlich
erlebte sie den Aufstieg der KPÖ unter Ernest Kaltenegger und nun
Elke Kahr zur 20-Prozent-Partei.

Das ist mehr als bloß ein lokales Ereignis: Der Zugewinn der KPÖ
zeigt, dass das Parteiensystem beweglich ist – wobei die geringe
Wahlbeteiligung die Bewegungen noch verstärkt. Dieser Effekt könnte
auch auf anderen politischen Ebenen wirksam werden. Denn das Angebot
der etablierten Parteien ist ja weder in der Bundespolitik noch in
den Ländern wesentlich attraktiver als jenes in Graz: Man weiß, dass
da viel gestritten wird, ohne dass man dafür grundsätzliche Ursachen
erkennen könnte. Man vermutet (wohl zu Recht), dass die Korruption
nicht aufgearbeitet ist. Man wendet sich ab.

Oder man sucht eine Alternative. Zunächst ist da – seit immerhin
gut 30 Jahren – die grüne Alternative: saubere Politiker und ein
sauberes Programm (von dem allerdings meist nur die Reinhaltung der
Umwelt wahrgenommen wird); aber eben auch ein wenig Langeweile,
intellektuelle Abgehobenheit und der Eindruck mangelnder
Regierungsfähigkeit.

Dann die Freiheitlichen: Zweimal (1983 bis 1987 und 2000 bis 2007)
haben sie bewiesen, dass sie sich sofort zerstreiten, wenn sie in
eine Regierung kommen. Und dass sie weit davon entfernt sind, ihren
Ideologiemix aus Law-and-Order-Sprüchen, rechter Nostalgie und linken
Umverteilungsversprechen in eine tragfähige Politik umsetzen zu
können.

Da geht man doch lieber gleich zu einer Linkspartei. Tatsächlich
ist links von SPÖ und Grünen wohl ähnlich viel Platz wie rechts von
der ÖVP. Nur weil ihn keiner zu besetzen imstande ist, können rechte
Bewegungen wie die FPÖ (und womöglich auch das Team Stronach) links
der SPÖ frustrierte Wähler abholen.

Eine glaubwürdige Linkspartei hätte auch auf Bundesebene die
Chance, solche Abwanderungen ins rechte Lager zu verhindern. Die
Grazer Kommunisten haben gezeigt, wie das geht: Ihr Programm ist so
geschrieben, dass es klare Markierungen setzt, ohne gleich die Angst
vor einer Weltrevolution zu schüren. Es benennt die Schwachen, die
Hilfe brauchen, es benennt auch die Maßnahmen, mit denen man helfen
könnte – wenn man sich den Konflikt mit jenen zutraut, denen man
dafür etwas wegnehmen müsste.

Das ist natürlich ein Stachel im Fleisch der SPÖ, die in Graz auf
jenes Niveau zurückgefallen ist, auf dem in Wien die ÖVP grundelt. Wo
eine Linkspartei stark ist, muss die Sozialdemokratie ihr Profil
nachschärfen. In Graz hat sie das versäumt.

Auf Bundesebene auch: Die Grünen schaffen es derzeit nicht, auf
die SPÖ einen entsprechenden Druck auszuüben – schließlich wollen
Rote und Grüne mögliche bürgerliche Wähler nicht verschrecken.

Solche Sorgen brauchen sich die Kommunisten nicht zu machen. Sie
haben ein ganz anderes Problem: Außerhalb der Steiermark, wo sich
einige engagierte Funktionäre mit angewandter Sozialpolitik einen
guten Ruf geschaffen haben, ist die Marke KPÖ durch die
stalinistische Vergangenheit der Partei schwer beschädigt. Wenn die
Kommunisten bundesweit Erfolg haben wollen, müssten sie sich mit
neuem Namen positionieren.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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