Allg. Zeitung Mainz: Verschleiert / Friedrich Roeingh zum OECD-Bildungsbericht

Bildungsstudien können nicht nur Probleme
offenlegen. Sie können sie auch verschleiern. Endlich tritt der
OECD-Bildungsbericht diesen Beweis einmal selbst an. Über Jahrzehnte
hinweg wurde die im Vergleich zu vielen anderen OECD-Ländern geringe
Studienquote in Deutschland als Schwachpunkt bewertet. Nun tritt die
gleiche Institution – auf politischen Druck hin – den Beweis an, dass
eine abgeschlossene Berufsausbildung genauso vor Arbeitslosigkeit
schützt wie ein Studium. Den zweiten Beweis, dass im Land der
Facharbeiter auch deren Karrierechancen gleichwertig sind, muss die
Wirtschaft selbst antreten. Zweite Erkenntnis: Deutschland hat in den
vergangenen Jahren in der frühkindlichen Bildung aufgeholt. Diese
Erfolgsmeldung verschleiert allerdings eine ganz andere Entwicklung:
Unsere Grundschulen befinden sich in der schlechtesten Verfassung
seit Jahrzehnten. Nicht nur, weil hier der Lehrermangel (dessen
Auswirkungen noch dramatische Ausmaße annehmen werden) am stärksten
durchschlägt. Dem System Grundschule ist zudem die Inklusion und die
Integration der Flüchtlingskinder aufgedrückt worden, ohne es dafür
angemessen aufzurüsten. Und die zunehmenden Ganztagsangebote
erschöpfen sich eher in Verwahrung als in einer Betreuung. Wir
bräuchten längst die multiprofessionelle Schule, in der den Lehrern
viel mehr Sozialarbeiter, Psychologen und auch IT-Profis zur Seite
stehen. Wenn sich nicht endlich die Bildungsminister von ihren
Regierungschefs und Finanzministern emanzipieren und größere
Bildungsbudgets erzwingen, werden wir uns schon bald die Augen
reiben.

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