Wer eine weiterführende Schule für sein Kind sucht,
der tut heute gut daran, sich auch im Internet kundig zu machen.
Beispielsweise auf der Plattform für Klatsch und Tratsch unter
Schülern: „isharegossip“. Danach hat sich manche nahe gelegene
Schuladresse ganz schnell erledigt. Nehmen wir eine Sekundarschule in
Wilmersdorf, benannt nach einem ehrenhaften Forscher des 17.
Jahrhunderts. Anonym stellte dort ein Schüler vorigen Monat folgende
Frage über seine Schule ins Netz: „Welches Mädchen & welcher Junge
sind die, die jeden f…?“ – das letzte Wort der Frage sei hier
unausgesprochen, es liegt ja auf der Hand. 40 Mal wurde auf diese
Frage geantwortet, oft sehr präzise: Namen wurden genannt und meist
auch die Klasse. Mädchen werden als „Schlampen“ und „Huren“
bezeichnet, Jungs sind „Hurensöhne“. Wessen Name hier fällt, der hat
harte Schulwochen vor sich. Das Ganze nennt sich Cyper-Mobbing. Für
die Opfer ein Albtraum. Nun ist am vergangenen Sonnabend ein
17-jähriger Jugendlicher zusammengeschlagen worden, der offenbar
seine eigene Freundin verteidigen wollte, gegen die bei
„isharegossip“ von anderen Mädchen der Schule gehetzt wurde. Man traf
sich zur Aussprache, doch was als versuchte Streitschlichtung begann,
endete als versuchter Totschlag. Der 17-Jährige wurde von den Mädchen
und ihren Freunden verfolgt und so lange zusammengetreten, bis er
bewusstlos war. Nun liegt er mit einem Schädel-Hirn-Trauma im
Krankenhaus. Es hat immer Hänseleien in der Schule gegeben und üble
Nachrede. Aber was früher auf Zettelchen hin- und hergeschoben wurde,
was leise von Ohr zu Ohr ging, steht heute im Netz, gepostet, für
alle einsehbar. Die Wirkung kann mörderisch sein – in England und
Amerika gibt es längst Fälle von Selbstmorden und Selbstmordversuchen
gemobbter Jugendlicher, die das alles nicht mehr aushielten. Den
Betreibern solcher Seiten ist das egal, sie machen kein Hehl daraus,
dass sie absolut verantwortungslos sind. Bei „isharegossip“
versicherte man noch am 9. März den Usern, hier sei alles absolut
anonym. „Niemandem kann nachgewiesen werden, etwas geschrieben zu
haben. Auch nicht vor der Polizei, das heißt, es gibt keinen
dingfesten Beweis“, heißt es auf der Seite mit der „offiziellen
News“. Der Betreiber prahlt also damit, dass hier jeder ungestraft
hetzen und herumsauen kann – ohne sich je verantworten zu müssen. Ein
Teil unserer Jugendlichen ist verroht und bedroht wie kaum eine
Generation vor ihnen. Viel zu viele haben eine komplett sexualisierte
Sprache, sie kennen keine Moral und kein Mitleid – weder im Netz noch
im richtigen Leben. Wer stoppt das? Wer sagt noch, es ist jetzt
genug, wenn übelste Hetze im Internet ausgekippt wird? Wer ruft, es
reicht, wenn einer wehrlos am Boden liegt? Prügeleien gab es immer –
aber es galt einmal als akzeptierte Regel, aufzuhören, wenn einer
sich nicht mehr wehren konnte. Nur Sadisten treten so lange zu, bis
das Opfer halb tot ist. Heute ist es trauriger Berliner Alltag.
Machen wir uns nichts vor: Unsere Schulen sind viel zu oft ein
Saustall. Genau wie zu viele Elternhäuser, auch reiche. Es wird Zeit,
zu handeln. Hetzseiten wie „isharegossip“ müssen abgeschaltet werden
– trotz der juristischen Hürden. Und wir – kümmern wir uns endlich um
unsere Kinder!
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