Kurzform: Soll Deutschland Geflüchtete an der
deutschen Grenze zu Österreich zurückweisen dürfen? Die Debatte kocht
hoch. Zu Recht. Es geht nicht nur darum, ob Deutschland einen
liberalen oder restriktiven Kurs in der Asylpolitik führt. Im Kern
streiten sich Experten über Grundfragen der Verfassung und des
europäischen Rechts. Ganz nebenbei geht es auch um den Fortbestand
unserer Bundesregierung. Doch ist die Debatte über die Pläne der CSU
nur die deutsche Dimension einer weltweiten Krise. Es ist Zeit, den
Blick zu weiten. Über die deutsche Grenze hinaus. Vor allem ein
Politiker der CSU braucht jetzt mehr Gehör. Es ist
Entwicklungsminister Gerd Müller. Um die Asyldebatte ehrlich zu
führen, müssen wir mit Mythen aufräumen und die Ursachen für Flucht
dort erkennen, wo sie entstehen.
Der komplette Leitartikel: Soll Deutschland Geflüchtete an der
deutschen Grenze zu Österreich zurückweisen dürfen? Die Debatte kocht
hoch. Zu Recht. Es geht nicht nur darum, ob Deutschland einen
liberalen oder restriktiven Kurs in der Asylpolitik führt. Im Kern
streiten sich Experten über Grundfragen der Verfassung und des
europäischen Rechts. Ganz nebenbei geht es auch um den Fortbestand
unserer Bundesregierung. Doch ist die Debatte über die Pläne der CSU
nur die deutsche Dimension einer weltweiten Krise. Es ist Zeit, den
Blick zu weiten. Über die deutsche Grenze hinaus. Vor allem ein
Politiker der CSU braucht jetzt mehr Gehör. Es ist
Entwicklungsminister Gerd Müller. Um die Asyldebatte ehrlich zu
führen, müssen wir mit Mythen aufräumen und die Ursachen für Flucht
dort erkennen, wo sie entstehen. Vier Punkte sind entscheidend.
Erstens: Derzeit entsteht der Eindruck, nach Deutschland kämen nur
noch „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Asyltouristen“. Das ist falsch.
Syrien, Irak und Afghanistan sind noch immer die
Hauptherkunftsländer. Flucht vor Krieg lässt sich immer noch am
besten damit lösen, dass ein Krieg beendet wird. In Syrien agieren
auch nach Niederschlagung des IS viele Dschihadisten. Diktator Assad
bleibt an der Macht. Afghanistan hat die höchste Zahl ziviler Opfer
von Gewalt seit Jahren. Fluchtbewegungen aus diesen Gebieten bleiben
noch Jahre bestehen. Zweitens: Deutschland und die EU tragen nicht
die Hauptlast der Versorgung von Flüchtlingen – sondern nur einen
Bruchteil. Weltweit sind 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Im
ersten Halbjahr 2018 brachen rund 40.000 Menschen in Booten über das
Mittelmeer nach Europa auf. In der EU leben gut 500 Millionen
Menschen. Auf 10.000 EU-Bürger kommt nicht einmal ein Flüchtling,
also ein Zuschauer in einem gut gefüllten Zweitliga-Stadion. Die
meisten, die vor Krieg und Hunger fliehen, schaffen es nicht bis in
die EU, sondern bleiben in Camps im eigenen Land oder im
Nachbarstaat. Das gilt vor allem für Afrika. Hier wird sich
entscheiden, ob die weltweite Fluchtkrise gelöst wird. Minister
Müller fordert jetzt 60 Milliarden Euro aus der EU für afrikanische
Staaten. Das führt zu Punkt 3: Der Großteil der Fliehenden, die aus
Afrika die europäische Küste erreichen, sind junge Männer. Ein Teil
flieht nicht vor Krieg, sondern sucht in der EU einen Ausweg aus
Trostlosigkeit und Armut. Junge Männer sind die Ersten, die es aus
den Krisengebieten schaffen. Es fliehen nicht die Ärmsten, sondern
junge Menschen, die ein bisschen Geld, Ehrgeiz und Mut
zusammenkratzen. Die Schwächsten bleiben zurück. Ein Kreislauf der
Destabilisierung beginnt. Deshalb ist Entwicklungshilfe die stärkste
Säule der Asylpolitik. Aber das Geld muss auch dort ankommen, wo es
Fluchtgründe wirklich bekämpft. Und vor allem Frauen und Kinder
stärken. Punkt 4 führt noch einmal zurück zu Merkel und Seehofer.
Europas sogenanntes Dublin-Verfahren, nachdem Geflüchtete dort Asyl
beantragen müssen, wo sie Europa zuerst erreichen (Italien,
Griechenland), ist ungerecht und funktioniert nicht. Die EU-Staaten
dürfen Migration und Flucht nicht erst durch Verteilungsquoten in
Europa steuern, sondern in Afrika und Nahost. Regierungen müssen
stärker auf Kontingente setzen – und institutionalisierte, legale
Wege in den europäischen Schutzraum und Arbeitsmarkt schaffen.
Schleusern würde das Geschäft entzogen, Migranten bekämen Anreize,
die Hürden für Einreisen mit Investitionen in ihre Arbeitskraft zu
erfüllen, und Kriegsflüchtlinge könnten gezielt ausgewählt werden,
auch Frauen und Kinder. Es ist ein Weg, Regeln und Realität in
Einklang zu bringen.
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