Es ist gerade mal zwei Jahre her, dass der
niedersächsische FDP-Chef Philipp Rösler sein erstes Ministeramt
antrat. Das war im Februar 2009. Er wurde damals Wirtschaftsminister
in Hannover. Jung, unverbraucht, gescheit, gute Manieren. Ein Netter.
Für die große, die Berliner Politik also gänzlich ungeeignet. So
empfand er es jedenfalls selbst. Er werde niemals nach Berlin gehen,
sagte Rösler damals, „weil ich das misstrauische Klima nicht für
gesund halte. Wenn ich hier meine zwei Stellvertreter zusammen Kaffee
trinken sehe, denke ich: Das sind nette Kerle – und setze mich dazu.
In Berlin muss ich mich fragen, ob die gerade überlegen, wer von
beiden mich ablöst.“ Na, dann mal los. Im Ernst: Wer erwartet hat,
dass der designierte Vorsitzende der FDP sein Amt nur mit dem Messer
in der Hand antreten würde, mit dem er die Brüderles, Homburgers,
vielleicht auch noch Westerwelles kurz und kalt meuchelt, der
unterschätzt Röslers menschliche Qualitäten. Und der unterschätzt,
dass dieser Hannoveraner angetreten ist, um tatsächlich etwas zu
verändern in der FDP. Nötig wäre das ja. Ein Verein, dessen
Mitglieder sich unentwegt gegenseitig an die Kehle gehen, ist
definitiv keine Alternative für den deutschen Wahlbürger. Genau
diesen Eindruck haben die Liberalen aber gemacht in den vergangenen
Monaten, in denen Rücktrittsforderungen allzu häufig Argumente
ersetzt haben; in denen ständig mit dem Finger auf andere gezeigt
wurde, ganz als gäbe es keine bürgerlichen Maßstäbe mehr in der FDP.
Die braucht es aber, um erfolgreich zu sein in der Politik, in der
Gesellschaft, und zwar gerade innerhalb einer Partei, in der das ICH
schon programmatisch größer geschrieben wird als das WIR. Wer auf
Freiheit und Eigeninitiative setzt, muss beweisen, dass Freiheit und
eigene Initiative auch der Gemeinschaft nutzen. Diesen Beweis ist
Guido Westerwelle nach seinem Wechsel von der Oppositions- auf die
Regierungsbank – als es also drauf ankam – schuldig geblieben. Statt
seiner Politik begründete der Außenminister sich selbst. Das wird
Philipp Rösler so nicht passieren. Anders als sein Vorgänger ist der
gelernte Mediziner fähig zur Selbstironie und läuft keine Gefahr, die
eigene Person wichtiger zu nehmen als die Aufgabe. Die Frage wird
eher sein, ob er auch den langen Atem hat, über den Westerwelle
verfügte. Und der wird nötig sein, um den Freien Demokraten wieder
ein glaubwürdiges liberales Profil zu geben, das die Partei zugleich
aus den alten Schubladen befreit: Das Bild der Umfaller-,
Besserverdiener-, Apothekerpartei ist in den Köpfen der Wähler ja
immer noch und jederzeit abrufbar. Diese Reflexe sitzen sehr tief.
Das hat auch mit den Köpfen zu tun, die die FDP zuletzt repräsentiert
haben, vor allem aber mit einer programmatischen Verkürzung, die
viele Menschen als Desinteresse interpretieren. In der Schul-,
Kultur, Bildungs-, Familien-, Sozial-, Integrationspolitik – also
überall dort, wo Politik den Leuten viel näher kommt als im
Auswärtigen Amt – weiß kein Mensch, wofür die Freien Demokraten
stehen, was sie vorhaben und welche Vorteile das wohl hätte. Wer
diesen Zustand ändern will, der braucht Argumente, nicht Guillotinen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de