DER STANDARD-KOMMENTAR „Ablenkung statt Aufklärung“ von Alexandra Föderl-Schmid

Wer wusste wann was? Um diese nebensächliche Frage
streiten Salzburger Politiker – dabei geht es um 340 verzockte
Steuermillionen. Während die ÖVP behauptet, Finanzlandesreferent
David Brenner (SPÖ) habe eine Woche gebraucht, um über die Lage
aufzuklären, schießt Landeshauptfrau Gabi Burgstaller zurück: Die ÖVP
sei „eine Woche vor dem Kollegen Brenner über das Verhalten der
Mitarbeiterin informiert“ worden. „Also da frage ich mich schon, ob
es nicht doch was zu verbergen gilt“, sagte die SPÖ-Politikerin im
Ö1-Morgenjournal.
Die Bürger – und nicht nur jene in Salzburg – fragen sich, wer
politische Verantwortung dafür übernimmt, dass eine Beamtin jahrelang
Millionen verschieben konnte, ohne dass es jemandem aufgefallen ist.
Welche Schutzmechanismen haben versagt? Gibt es überhaupt welche?
Warum gilt das in Unternehmen übliche Vieraugenprinzip in einer
Landesbehörde nicht? Wieso gibt es eine Generalvollmacht für diese
Art Geschäfte? Warum kann eine einzelne Person über solche Summen
verfügen? Warum haben Banken nicht lauter Alarm geschlagen?
Diese Fragen müssen geklärt werden. Wechselseitige Schuldzuweisungen
sind kein Beitrag zur Aufklärung und in dieser Situation dazu
angetan, die Wut der Bürger noch zu steigern. Dazu dürfte auch der
Auftritt von Vize-Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) in der ZiB
2 beigetragen haben, der den Neuwahlantrag damit begründete, „dass
wir alle so viel Verantwortungsbewusstsein haben müssen, in dieser
besonders dramatischen Situation den Schaden zu begrenzen“.
Der Versuch der ÖVP, in die Offensive zu gehen, ist genauso
durchsichtig wie die Verteidigungsposition der SPÖ in Salzburg. Die
einzige Konstante in der Landesregierung war der Chef der
Finanzabteilung, Eduard Paulus. Er ist von der ÖVP in Stellung
gebracht worden. War_um er nichts gesehen, nichts gehört, nichts
gemerkt hat, ist eine der Fragen, die gestellt gehören. Vielleicht
liegt es auch daran, dass er neben seiner Tätigkeit in der
Landesverwaltung als Präsident der Österreichischen
Offiziersgesellschaft sehr aktiv ist. Die Generalvollmacht für die
Mitarbeiterin, die die Millionen verzockte, hat mit Wolfgang Eisl ein
ÖVP-Politiker ausgestellt.
Da die Verantwortung der ÖVP in dieser Sache nicht geklärt ist, kann
sich der Neuwahlantrag als Bumerang erweisen. Weil aber das
Krisenmanagement der Salzburger SPÖ in den vergangenen Tagen derart
miserabel war, geht die ÖVP das Risiko ein.
Gabi Burgstaller und ihr präsumtiver Kronprinz David Brenner haben
sich selbst beschädigt. Burgstaller galt als Hoffnungsfigur für Wien,
Brenner für Salzburg. Das ist vorbei.
Die Logik, dass Brenner unbedingt bleiben müsse, um die Sache
aufzuklären, ist nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil: Brenner hätte
sein Amt ruhend stellen müssen, sobald ihm das Ausmaß des Skandals
klar war. Er hätte die Öffentlichkeit informieren und externe Prüfer
– möglichst aus dem Ausland – einsetzen müssen. Jemand von außen kann
in dieser Situation am besten klären, was vor sich gegangen ist und
wer welche Verantwortung nicht wahrgenommen hat. Es geht nicht um die
juristische Aufklärung, die muss von den Strafverfolgungsbehörden
geleistet werden.
Die Reaktionen zeigen einmal mehr, wie schlecht es in Österreich um
die Wahrnehmung der politischen Verantwortung bestellt ist.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

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