DER STANDARD-Kommentar: „Die Schuldigen sind gefunden“ von Alexandra Föderl-Schmid

Den Ratingagenturen sei Dank. Und der deutschen
Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nur der Druck von außen hat bewirkt,
dass sich diese Koalition zu notwendigen Schritten durchringt. SPÖ
und ÖVP haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie aus
eigenem Antrieb zu keinem Kraftakt fähig sind.

Ohne die Festlegung beim EU-Gipfel am 26. Oktober und ohne den
angeblich drohenden Verlust des Triple-A-Ratings wären Bundeskanzler
Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger weiter in
ihrer Passivität verharrt. Mit den Ratingagenturen und der EU haben
sie Schuldige, auf die sie bei den zu erwartenden Protesten wegen der
Sparmaßnahmen zeigen können.

Dass die Bundesregierung die Bundesländer und Gemeinden nicht
vorab informiert hat, spricht dafür, dass in Wien der Ernst der Lage
nun doch erkannt wurde. In den vergangenen Monaten ist ohnehin der
Eindruck entstanden, der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin
Pröll (und die Kronen Zeitung) regiere Österreich. Mit dieser
Ankündigung haben Faymann und Spindelegger das Heft des Handelns
übernommen. Hätten sie sich in einen für Österreich so typischen
Konsultationsprozess begeben, bei dem dann auch die Sozialpartner
hätten mitreden können, dann wäre nichts oder nur sehr wenig
herausgekommen.

Die Gefahr besteht ohnehin noch, dass Faymann und Spindelegger der
Mut verlässt, zumal 2013 ein Wahljahr ist. Als überzeugte, wackere
Kämpfer haben sich die beiden bei ihren fast skurril wirkenden
TV-Auftritten im Duett am Montagabend nicht präsentiert. Fast schien
es, als müssten sie sich gegenseitig Zuspruch spenden.

Bisher gibt es nur das prinzipielle Bekenntnis der Regierenden,
nicht weiter so viel Geld auszugeben, so als würde es kein Morgen
geben. Mit zwei Milliarden pro Jahr gibt es auch ein konkretes
Sparziel. Ab nun beginnen die Mühen der Ebenen: Nicht nur die
Koalition ist uneins, wie diese Summe erreicht werden kann. Länder
und Gemeinden haben bereits Bedenken angemeldet, auch die
Oppositionsparteien wollen einen Preis für eine Zustimmung zur
Schuldenbremse im Parlament. Mindestens eine weitere Partei brauchen
SPÖ und ÖVP, wollen sie das Ziel, wie angekündigt, in der Verfassung
verankern. Je breiter der Schulterschluss, desto besser. Länder und
Gemeinden müssen auf jeden Fall ihren Beitrag zur Schuldenbremse
leisten, sonst ist sie obsolet.

Das Vorhaben ist eine große Chance, endlich strukturelle Reformen
im Gesundheitsbereich wie etwa bei der Zahl der Spitäler anzupacken,
über Verwaltung und Föderalismus ohne Tabus zu diskutieren und das
Pensionssystem zukunftstauglich zu machen. Nach den ersten Stunden
ist aber zu befürchten, dass sich die Koalition nach dem Paukenschlag
wieder im Klein-Klein verliert: Die ÖVP will vor allem bei den
Ausgaben sparen, die SPÖ will via Vermögenssteuern auch zu mehr
Einnahmen kommen. Bei den Zahlen anzusetzen reicht ohnehin nicht. Die
Reformagenda ist lang. Sie muss endlich abgearbeitet werden.

Warum die Koalition sich nicht schon für das nächste Jahr
Sparmaßnahmen vornimmt, muss angesichts der abflauenden Konjunktur
und der Entwicklungen in der Eurozone verwundern. Wie die Ereignisse
in den vergangenen Monaten gezeigt haben, gestehen die Finanzmärkte
nicht viel Zeit zu, um notwendige Schritte zu setzen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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