DER STANDARD-Kommentar: „Schmieds Reifeprüfung“ von Michael Völker

Es ist ein Scheitern, auch auf politischer Ebene.
Positiv daran ist immerhin, dass Claudia Schmied dieses Scheitern
einsieht, dass sie es, wenn auch nur indirekt, eingesteht und daraus
die Konsequenzen zieht: Die Zentralmatura, ein Renommierprojekt der
Unterrichtsministerin, wird verschoben, muss verschoben werden. Die
standardisierte Reifeprüfung wird doch nicht 2014 starten, sondern
erst 2015.
Das gesamte Projekt war zu wenig gut vorbereitet – auf allen Ebenen.
Das Anliegen war politisch schlecht kommuniziert, es wurde zu wenig
erklärt, es wurde zu wenig Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit
geleistet. Die Gegner wurden nicht an Bord geholt, sie wurden vor den
Kopf gestoßen. Die Zentralmatura war auch in der Sache selbst
schlecht vorbereitet, das hat sich an den Schulstandorten gezeigt.
Lehrer, Schüler und Eltern waren verunsichert. Jetzt kann man zwar
auch die Auffassungsgabe, die Flexibilität und die grundsätzliche
Bereitschaft mancher Lehrer hinterfragen, aber wenn sie nicht wissen,
was sie unterrichten sollen, wie sie die Schüler vorbereiten und wie
sie abschließend die Arbeiten benoten sollen, dann ist da ganz
grundsätzlich etwas in der Kommunikation schiefgelaufen.
Viele Einwände waren auch von der Boshaftigkeit jener geprägt, die
ganz prinzipiell gegen die Zentralmatura sind, weil sie von
Gleichmacherei sprechen. Letztendlich war aber davon auszugehen, dass
auch jene Lehrkräfte an der Zentralmatura scheitern würden, die dem
Projekt konstruktiv und aufgeschlossen gegenüberstanden. Das musste
auch Claudia Schmied einsehen, die etliche Schulstandorte besucht und
mit den Betroffenen ernüchternde Gespräche geführt hatte.
Die Zeit war zu knapp, die Vorbereitung durch das Bifie, das
Bundesinstitut für Bildungsforschung, offenbar zu sorglos. Das Chaos,
das durch politischen Bestemm angerichtet worden wäre, wäre nicht zu
rechtfertigen gewesen. Schlussendlich hätten das die Maturanten
ausbaden müssen.
Für Schmied ist das bitter. Schmerzlich klingt auch das Triumphgeheul
jener, die in der Vergangenheit massiv gegen das Vorhaben gearbeitet
haben und nun dessen Verschiebung bejubeln. Ihnen ging es nicht um
eine bessere Vorbereitung, sondern um die Sache an sich. Dass am
selben Tag in ganz Österreich alle Maturanten mit identischen,
zentral vorgegebenen Aufgabenstellungen konfrontiert würden, war
ihnen ein Dorn im Auge. Sie fürchteten noch schlechtere Lernerfolge.
Nicht für das Leben würde dann gelernt, sondern für einen
standardisierten Test – unbrauchbares Wissen.
Die Skeptiker sind aber auch jene, die auf Änderungen generell
allergisch reagieren. Mit einer vereinheitlichten Matura, die vom
Wohlwollen der Beteiligten getragen wäre, könnte allerdings mehr
Objektivität und Gerechtigkeit, eine bessere Vergleichbarkeit und
auch eine bessere Vorbereitung in die Schulen Einzug halten.
Profiteure wären Schüler wie Lehrer.
Ob Schmied selbst das als Unterrichtsministerin noch erleben wird,
ist ungewiss. Sie ist angeschlagen. Die schlechte Vorbereitung und
die ungeschickte Kommunikation liegen in ihrer politischen
Verantwortung. Und wenn sie angesichts der Veränderungsphobie im
Bildungssystem, dem generell bildungsfeindlichen Klima im Land und
der ausschließlich ideologisch ausgerichteten politischen
Argumentationslinien resigniert, man könnte es ihr nicht verdenken.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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