HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Guttenberg-Nachfolger

Das Krisenmanagement von Angela Merkel hat nicht
selten zu Kritik geführt: Vor allem das „Aussitzen“ politischer
Probleme gilt als Spezialität der Bundeskanzlerin. In der Finanzkrise
war das so, beim Debakel um den Autobauer Opel und zuletzt in der
Plagiatsaffäre von Karl-Theodor zu Guttenberg. Statt schnell zu
handeln, spielt Merkel auf Zeit – und hofft, dass sich die
Schwierigkeiten irgendwann von selbst erledigen. Ein Basta ist ihre
Sache nicht. Dass der Nachfolger von Guttenberg jetzt doch ganz
schnell feststand, ist gut und das richtige Signal. Statt sich – wie
am Dienstag zunächst angedeutet – gelähmt zu zeigen vom Abgang des
Polit-Stars, hat die Regierung auf Handlungsfähigkeit gesetzt. Es
gibt viele Probleme anzupacken, zuvörderst das Mammutprojekt
Bundeswehrreform, das mitten in der Entwicklung steckt. Vernünftig
ist auch die Wahl von Innenminister Thomas de Maizière zu Guttenbergs
Nachfolger. Er ist ein erfahrener Minister, ein politisches
Schwergewicht und gilt als enger Vertrauter der Kanzlerin. Auch wenn
de Maizière deutlich unglamouröser als sein Vorgänger ist, steht er
doch mindestens auf Augenhöhe mit ihm. Mit de Maizière behält der
Posten des Verteidigungsministers seine herausragende Bedeutung, die
ihm auch verfassungsrechtlich garantiert ist: Neben ihm wird nur noch
der Finanzminister im Grundgesetz erwähnt. Diesem Anspruch ist die
Kanzlerin nachgekommen. Doch klar ist auch: Sie hatte kaum eine Wahl.
Denn die Union hat einen kräftigen Aderlass hinter sich. Sieben
Ministerpräsidenten wurden in den vergangenen anderthalb Jahren
abgewählt oder haben ihr Amt aus anderen Gründen abgelegt – darunter
so lautstarke und über die Landesgrenzen hinaus agierende Figuren wie
der Hesse Roland Koch oder Günther Oettinger aus Baden-Württemberg.
Auch Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung nahm seinen Hut. Alles,
was Rang und Namen hat, ist heute längst im Kabinett versammelt und
mit dem jeweiligen Ressort verwoben. Denkbar für Guttenbergs
Nachfolge schien nur noch Verkehrsminister Peter Ramsauer. Doch der
hatte blitzschnell abgelehnt, als die Vakanz des Postens bekannt
wurde. Die Kanzlerin hat nach der Guttenberg-Krise mit ihrem neuen
Kabinett noch einmal die Kurve gekriegt. Jetzt muss Merkel allerdings
aufpassen, dass bis 2013 keine weitere Regierungsumbildung ins Haus
steht. Die nächste Personalrochade dürfte deutlich schwieriger
werden.

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