Der scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofs
für das Land Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, hat dem
Bundesverfassungsgericht vorgeworfen, durch laxe Urteile zu
Neonazi-Demonstrationen den Rechtsextremismus verharmlost und
dramatisch unterschätzt zu haben. „Wenn das Bundesverfassungsgericht
das öffentliche Agieren einer Partei wie der NPD über viele Jahre
immer wieder durchwinkt, dann entsteht sehr schnell der Eindruck, so
schlimm kann das mit dieser Partei ja wohl nicht sein, sonst hätte
das oberste Gericht des Landes bestimmt anders entschieden–„, sagte
Bertrams dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe). Die Morde
der rechtsextremen Terrorzeile NSU seien nicht von ungefähr „in die
Zeit der sehr liberalen – ich möchte am liebsten sagen: libertinären
– Karlsruher Rechtsprechung“ gefallen, so Bertrams weiter. „Hätte
das Verfassungsgericht die Existenz solcher hochaggressiven
Strukturen bis hin zur Mordbereitschaft vor Augen gehabt, wäre die
Rechtsprechung sicher anders ausgefallen.“ Die Karlsruher Richter
hatten mehrfach Demonstrationsverbote aufgehoben, die das
Oberverwaltungsgericht in Münster unter Bertrams Vorsitz
ausgesprochen hatte. Bertrams führte darüber immer wieder öffentliche
Auseinandersetzungen mit seinen Karlsruher Kollegen. Ein erneutes
NPD-Verbotsfahren bezeichnete der 65-Jährige, der Ende Januar nach 19
Jahren Amtszeit in den Ruhestand geht, als dringend notwendig. „Es
kommt leider viel zu spät.“ Zur Begründung sagt Bertrams, es sei
„unerträglich, dass Neonazis vom Steuerzahler mitfinanziert werden
und ihr braunes Gift ungehemmt in der Öffentlichkeit verbreiten
können. Es frisst sich so immer weiter in die Mitte der Gesellschaft
hinein. Da erwarte ich von den Hütern der Verfassung ein klares
Nein.“
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