Mindener Tageblatt: Kommentar zu: NRW-Nachtragshaushalt vorerst gestoppt /
Ohrfeige aus Münster

Schon vergangene Landesregierungen
Nordrhein-Westfalens hatten sich immer wieder mal wenig um die
verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Kreditfinanzierung des Haushalts
geschert, wenn die Lust am Geldausgeben größer als die über Gebühr
strapazierte Kreditlinie war. Mehrfach hat das höchste Landesgericht
dabei angewandte Tricks im Nachhinein explizit als verfassungswidrig
gegeißelt, freilich ohne Sanktionierung und erkennbar nicht mit
irgendeiner Form von politischem Erziehungseffekt. Das hatte es der
aktuellen rot-grünen Minderheitsregierung wohl als ebenso verlockend
leicht wie voraussichtlich folgenlos erscheinen lassen, ihre
neuerliche Schuldenorgie bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts
2010 wiederum ohne Rücksicht auf verfassungsrechtliche Bedenken
durchzuziehen. Als die Opposition erneut richterliche Überprüfung
veranlasste, ließ das die Koalition mit Blick auf die bisherigen
Resultate ähnlicher Querschussversuche herzlich kalt. Dass die
Münsteraner Richter sich mit dem in den Weihnachtsferien
eingereichten Eilantrag Zeit ließen, bestätigte die Regierung
offenbar in ihrer Einschätzung, dass die Justiz es wie üblich maximal
beim nachträglichen Auf-die-Finger-klopfen belassen werde.
Folgerichtig wurde mit Kreditaufnahme und Mittelverwendung begonnen,
ohne den Richterspruch abzuwarten. Deren Hinweis, nicht schon Fakten
zu schaffen, wurde in belehrendem Ton als wirklichkeitsfremd abgetan.
Nun haben Hannelore Kraft und ihre Koalition den Salat: Die gestern
ausgesprochene Untersagung des Vollzugs bis zur endgültigen Klärung
ist nicht nur eine politische Ohrfeige erster Güte, sondern schafft
auch handfeste praktische Probleme. Wie immer diese nun gelöst werden
können – vielleicht trägt der dazu notwendige Aufwand ja dazu bei,
die traditionelle Nonchalance gegenüber der Verfassung in dieser
Frage durch etwas mehr Ernsthaftigkeit zu ersetzen.

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