Königsmord verschoben, Burgfrieden in der FDP,
aber die dramatischen innerparteilichen Probleme nicht gelöst – so
lauteten die Schlagzeilen nach dem Dreikönigstreffen der FDP vor zwei
Jahren. Seinerzeit hatten jubelnde Liberale im Stuttgarter
Staatstheater Guido Westerwelle den Rücken gestärkt. Wenige Wochen
später wurde er von den drei Jungspunden Christian Lindner, Daniel
Bahr und Philipp Rösler gemeuchelt. Und Rösler wurde wenig später als
neuer Hoffnungsträger begeistert gefeiert. Alles schon vergessen? Es
spricht einiges dafür, dass die Liberalen heuer zu Dreikönig wiederum
großes Theater aufführen werden. Der glücklose Parteichef Philipp
Rösler wird vermutlich ebenso beklatscht wie sein Widersacher Dirk
Niebel oder der fröhlich-heimliche Parteivorsitzende Rainer Brüderle.
Stuttgart bringt wahrscheinlich wieder viel liberale
Selbstbeschwörung. Der Führungscoup von 2011 allerdings ging
gründlich in die Hose. Der Abwärtstrend wurde vom „netten Herrn
Rösler“ auch nicht gestoppt. Im Gegenteil. Die FDP steckt kurz vor
der wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen und wenige Monate vor den
Urnengängen in Bayern und im Bund tief in der Bredouille. Und es
greift viel zu kurz, die Malaise der Liberalen lediglich am
Führungspersonal festzumachen. Die Crux ist, dass die Partei über
kein zündendes Thema verfügt, mit dem sie Wähler und Wählerinnen
überzeugen könnte. Die FDP, die jahrzehntelang als eine Art liberales
Anhängsel, als freiheitlich-rechtstaatliches Korrektiv für Union oder
SPD zum Regieren gebraucht wurde, steht vor dem politischen Abgrund.
Nach der Niedersachsen-Wahl könnte sie einen Schritt weiter sein. Und
was macht die liberale Schiffsführung angesichts des drohenden
Untergangs? Sie streitet sich nicht etwa über den richtigen Kurs,
sondern darüber, ob der Kapitän gleich oder erst in ein paar Wochen
von der Brücke gejagt werden sollte. Zur Selbstbeschwörung kommt nun
auch noch Selbstzerfleischung hinzu. Rösler selbst versucht es mit
Durchhalteappellen. Selbst der unvermeidliche Hinweis, dass der FDP
in den vergangenen Jahrzehnten bereits häufig das Totenglöckchen
geläutet wurde, kann kaum Zuversicht wecken. Die Partei hat sich in
der Vergangenheit zwar oft am eigenen Zopf aus dem Schlamassel
herausziehen können. Sie hat mehrere politische Wendungen mehr oder
weniger erfolgreich gemeistert. Doch damals konnte sie immer auf
einem politischen Wertevorrat, auf liberaler Grundsubstanz aufbauen.
Davon ist heute wenig übrig. Westerwelle hat die FDP zu einer reinen
Steuersenkungspartei verengt, was ihr freilich 2009 bei der
Bundestagswahl das Rekordergebnis von fast 15 Prozent bescherte. Das
war ein Pyrrhussieg, wie man heute weiß. Aus dieser
Eindimensionalität konnte sich die Partei nicht befreien. Breiter
aufgestellte liberale Vordenker, wie Ex-Generalsekretär Christian
Lindner, der die FDP sozialer ausrichten will, haben erst einmal
„überwintert“. Und Rösler hält in nahezu babylonischer Knechtschaft
das ausschließliche Bündnis mit der Union hoch. Doch die Strategie,
Schwarz-Gelb oder gar nichts, ist inzwischen nicht nur für die FDP
selber, sondern auch für die Union zur Einbahnstraße geworden. Die
Union könnte auch Grün oder Rot blinken und nach der Bundestagswahl
abbiegen. Rösler bleibt nur Merkel, sonst gar nichts. Eine Öffnung
für andere politische Konstellationen, vor allem aber eine breitere
politisch-programmatische Aufstellung ist mit dem Noch-FDP-Chef nicht
zu haben. Das ist sein größtes Manko. Das ist auch das Manko der
derzeitigen FDP. Und dies dürfte selbst durch noch so kräftigen
Beifall im Staatstheater zu Stuttgart nicht zu beheben sein.
Vielleicht brauchen die Liberalen für eine Erneuerung an Haupt und
Gliedern wirklich erst einmal Zeit. In der Opposition oder sogar
außerhalb des Parlaments. Autor: Reinhard Zweigler
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