Der Rausschmeißer-Song vom Nockherberg, mit dem
das Söder-Double den fiktiven Horst Seehofer mit zunehmendem Zorn aus
Bayern hinauskomplimentierte, war nur einen Hauch überzeichnet. Der
echte künftige Ministerpräsident steht längst in den Startlöchern,
rechnet mit jedem Tag und mit jeder Stunde, die er früher im Amt sein
könnte. Der Last-Minute-Abschied Seehofers, der nun bis kurz vor
seinem Wechsel nach Berlin im Amt bleiben wird, strapaziert seine
Geduld. Die Uhr von Markus Söder tickt: Bis zur Landtagswahl am 14.
Oktober muss er die CSU zumindest zum Zwischenhoch treiben. Die
Schubkraft, die er zuletzt entfaltet hat, reicht bisher nur für einen
sanften Aufschwung. Bleibt es bei diesem Niveau, ist die CSU im
Herbst neben der absoluten Mehrheit auch schmerzhaft viele
Landtagsmandate los. Die schwierige Ausgangssituation war die größte
Triebfeder Söders und der CSU-Landtagsfraktion, den Fortgang
Seehofers mit so großer Vehemenz zu betreiben. Die Demontage des
Amtierenden wurde dabei als lässliche Sünde betrachtet. Innig war das
wechselseitige Verhältnis ohnehin nie. Dazu hat auch Seehofer seinen
großen Teil beigetragen. Seehofers Wechsel nach Berlin beendet den
lähmenden Leerlauf, der nach der Bundestagswahl eingetreten war.
Während der Koalitionssondierungen und der Koalitionsverhandlungen in
Berlin wurde Bestehendes abgearbeitet, aber keine neuen Akzente
gesetzt. Auch der CSU-Machtkampf band Kräfte. Seehofer war de facto
ständig in Berlin oder igelte sich in der Staatskanzlei ein. Söder
hätte in München gern schon angepackt, konnte aber nicht. Eine
Gemengelage, in der unter vermeintlich friedlicher Oberfläche Zorn
auf Seehofer wuchs. Dabei hatten sich Söder und die CSU-Fraktion die
Lage selbst miteingebrockt. Sie hatten Seehofers Zeitplan in
Gremiensitzungen ohne Widerspruch passieren lassen. Seehofer hält
sich jedenfalls penibel an sein Versprechen eines Regierungswechsels
noch im März. Söder hat in Kürze die lang ersehnte Macht in Händen.
Bekannt ist bereits sein Zehn-Punkte-Plan für Bayern mit Komponenten
einer gerechteren Sozial- und einer strengeren Asylpolitik. Was davon
zündet, wird sich zeigen. Die Opposition wird jedenfalls in den rund
sieben Monaten bis zur Landtagswahl keine Gelegenheit auslassen,
Schwachstellen bloßzulegen – notfalls auch nur auf Verdacht, ohne
handfesten Beweis. Söder bekam das kürzlich bei der erneuten Debatte
um den Verkauf von GBW-Wohnungen zu spüren. Es ging um vermeintliche
Schwarzgeldgeschäfte auf Käuferseite und die Frage, ob Söder davon
gewusst haben könnte. Ein kleiner Vorgeschmack. Am Ziel seiner
Wünsche trifft Söder auf rauen Gegenwind. Noch herrscht großer
Gleichklang mit der CSU-Landtagsfraktion. Wie tief die Liebe wirklich
geht, wird sich zeigen, sollte Söder nicht die Wahlergebnisse
liefern, die von ihm erwartet werden. Für Eintrübungen sorgt
vermutlich schon seine erste Kabinettsbildung gleich nach dem
Amtswechsel. Söder hat enorme Hoffnungen geweckt, die ersten wird er
zwangsläufig noch im März enttäuschen. Zu den Scherzen des Lebens
gehört: Söders Erfolg bei der Landtagswahl ist mit einem Kontrahenten
verknüpft, dem er gerade das Amt des Ministerpräsidenten abgetrotzt
hat. Seehofer muss als Bundesinnenminister liefern, damit sich Söder
im Herbst als neuer Retter der CSU feiern lassen kann. Nur wenn
Seehofer rasch erste Erfolge vorweist, sinkt der Ärger in Teilen der
CSU-Wählerschaft auf die Kanzlerin und die Berliner Politik. Die
Gefahr eines zweiten Denkzettels für die bayerische Regierungspartei,
die schon die 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl in eine tiefe Krise
stürzte, würde sich verflüchtigen. Seehofer und Söder agieren zwar
bald auf getrennten Spielfeldern. Sie bleiben aber
aneinandergekettet.
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